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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 51.1935-1936

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Wackernagel, Martin: Giovanni della Palla, der erste Kunsthändler, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.16483#0232

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Giovanni della Palla, der erste Kunsthändler. Von Prof. Dr. Martin Wackernagel, Münster i.W.

Daß die künstlerische Produktion normalerweise
und in weit überwiegendem Maße aus der eigenen
Initiative des Künstlers erwächst, ist uns heute eine
selbstverständliche Vorstellung: ebenso, daß die
Arbeit des Künstlers ihre materielle A erwertung
auf dem Wege des Angebotes, durch Ausstellungen
und kunsthändlerischen Vertrieb suchen. — in
manchen Fällen erfolglos suchen muß.
Beinahe unfaßbar demgegenüber der noch in der
Renaissancezeit fast ausschließlich herrschende Zu-
stand einer — nationalökonomisch gesprochen — rei-
nen ..Kundenproduktion", auf die der Künstler wie
jeder andere Handwerker eingestellt war. D. h. die
Werke auch der bedeutenden Meister entstehen
durchgängig nur nach Bestellung und Auftrag.
Lange zu warten auf solche Aufträge, oder Arbeiten
auf eigenes Risiko zu unternehmen, brauchte dabei
wohl kaum eine Werkstatt; die Schwierigkeit war
für tüchtige Meister eher, der ständig drängenden
Nachfrage von Bestellern einigermaßen Genüge
zu tun.

Gemäldeausführung auf Vorrat und Angebot,
marktmäßiger Unisatz besonders gangbarer Gat-
tungen von Malwerken gab es daneben wohl auch,
von seiten gewisser auf solche Durchschnittsware
besonders eingestellter Ateliers schon des 14. und
15. Jahrhunderts in Florenz, ebenso in den Nieder-
landen. Einzelne unternehmerisch organisierte Ant-
werpener Werkstätten scheinen sich im frühen 16.
Jahrhundert spezialisiert zu haben auf einen be-
stimmten Typ reichgegliederter Schnitzaltäre mit
gemalten Flügeltafeln, den sie als weithin begehr-
ten Artikel sogar im Export vertreiben konnten, wie
manche im nordwestlichen Deutschland noch heute
anzutreffende Exemplare bezeugen. Dann aber ent-
faltet sich in breitestem Umfang und in einer zum
Teil fast schon den neuzeitlichen Verhältnissen
nahekommenden Art der Kunstmarkt des 17. Jahr-
hunderts in Holland. V\ ann und unter welchen
Umständen in Deutschland der Übergang von der
ausschließlichen Kundenproduktion der früheren
Zeiten zu der seit dem 18. Jahrhundert deutlich er-
kennbaren „Marktproduktion" der Künstler sich
vollzogen hat, das müßte erst näher erforscht
werden.

In Italien aber findet sich vereinzelt schon im spä-
teren 15. Jahrhundert auch die vornehmere Form
des Kunsthandels, das Vermittlungsgeschäft für
hochwertige Einzelstücke zeitgenössischer oder äl-
terer, auch ausländischer, besonders altniederländi-
scher Malerei. Dank dem hier bei einzelnen fein-
gebildeten Kunstfreunden schon damals erwachten
ausgesprochenen Sanimierinteresse an bestimmten
Objekten und Gattungen. Und zwar sind es vorzüg-
lich die Vertreter der großen internationalen Kauf-
mannshäuser von Florenz, die zunächst beiläufig
und gelegentlich solche Vermittlungsgeschäfte be-
sorgen.

V\ ichtiger indessen für die Entwicklung des eigent-
lichen Kunsthandels wird seit Anfang des 16. Jahr-
hunderts der gegenläufige Exportweg, die Ausfuhr
italienischer Meisterwerke nach dem Norden, be-
sonders nach Frankreich. Und zwar erscheint hier
vor allem der französische König Franz I. eifrig
und fortdauernd darauf bedacht, seine Residenz-
schlösser mit italienischer Kunst auszustatten. Teils
indem er italienische Meister von Rang und Namen
in seinen Dienst beruft (Leonardo da Vinci, A. del
Sarto, später Benvenuto Cellini und andere), dann
aber auch durch Ankauf besonders begehrenswerter
Stücke zeitgenössischer und älterer italienischer wie
antiker Kunst. Und dabei leisten ihm wieder vor-
nehmlich Florentiner Handelsvertreter brauchbare
Dienste. Diese Vermittler müßten aber schlechte
Kaufleute gewesen sein, wenn sie nicht bald ver-
sucht hätten, mit Kunstwerken ihrer Heimat auch
von sich aus Handelsgeschäfte zu machen, ebenso
wie sie es mit anderen florentinischen Erzeugnissen
taten. Zunächst ergab sich dazu freilich nur selten
Gelegenheit, da ja die Künstler fast ausnahmslos
und ständig auf feste Bestellung arbeiteten. Daher
kommt es denn seit Anfang des 16. Jahrhunderts
verschiedentlich dazu, daß einzelne Wagemutige
auf eigenes Risiko bei irgendeinem namhaften
Künstler ein Bild in Auftrag geben, um es dann in
Frankreich — mit bisweilen erheblichem Geschäfts-
gewinn — weiterzuverkaufen. So bestellte zum Bei-
spiel ein Bernardino de Rossi bei dem alten Peru-
gino einen Sebastian, den er dem Künstler mit hun-
dert Gulden bezahlte (= etwa 2500—5000 RM.),
dafür aber beim König Franz den vierfachen Kauf-
betrag erzielen konnte.

Dann aber begegnet uns gegen Ausgang der 1520er
Jahre als Kunsthändler im vollen und eigentlichen
Sinn jener Giovanni Battista della Palla, auf den
Vasari an verschiedenen Stellen seiner Künstler-
biographien zu sprechen kommt. Von daher und aus
sonstigen zeitgenössischen Angaben ergibt sich fol-
gendes Bild dieser vielbewegten Existenz: Aus einer
erst kürzlich in die aristokratische Oberschicht auf-
gerückten Familie stammend — sein Großvater
war noch einfacher Gewürzkrämer gewesen (von
dessen Aushängeschild mit den Apothekerpillen der
Zuname della Palla sich herleitete)—hatte sich der
junge Giovanni Battista seinerzeit unter der Jeu-
nesse doree von Florenz durch eine besonders groß-
zügige Lebenshaltung hervorgetan: er wurde aber
1521, als Mitwisser eines "\ erschwörungsplanes ge-
gen die Medici, nach Frankreich verbannt. Dort ge-
lang es ihm. in die nähere Umgebung des Königs
und in dessen besondere Gunst zu gelangen. Und
so erschien er dann 1527, nach der letzten Vertrei-
bung der Medici wieder in der Vaterstadt, mit dem
ausdrücklichen Auftrag, für König Franz wertvolle
Kunstwerke aller Art zusammenzubringen und
nach Frankreich zu befördern.

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