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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 51.1935-1936

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Grote, Ludwig: Neue romantische Bilder der Nationalgalerie
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https://doi.org/10.11588/diglit.16483#0328

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nach seiner Übersiedlung nach München geschaffen
hat, gehört Elias in der Einöde. Studienzeichnungen
zu diesem Thema sind in Dessau und München
erhalten. Kurze Zeit ehe die Nationalgalerie ihr Ge-
mälde erwarb, hat die Neue Pinakothek in München
eine in der Zeichnung nur wenig verschiedene Aus-
führung angekauft. Beide Bilder sind originale
Arbeiten von Ferdinand Olivier. Das Münchner
Exemplar ist zuerst, um 1850, entstanden und war
das Jahr darauf im Kunstverein ausgestellt. Es besitzt
ein sattes bewegtes Braun, aus dem das Blau und
Rot des Gewandes des Elias leuchtet. Das Berliner
Bild dagegen ist in den letzten Lebensjahren Oliviers
gemalt, und hat durchgehend kältere Farben. Schon
gegen 1825 war in Ferdinand Oliviers Schaffen eine
Lockerung der nazarenischen Strenge eingetreten.
Während er in der Salzburger Zeit mit hingebender
Frömmigkeit in zarten Formen die Eigentümlich-
keit der Naturgebilde zu bannen suchte, wird in der
Spätzeit einer Idealität nachgestrebt, die sich an den
klassischen Meistern der Landschaftsmalerei, Poussin
und Dughet, orientiert. Ferdinand Oliviers ideale
Form ist aber nicht leer geworden, sondern von
einem echten Pathos erfüllt.

Die bekannte Ideallandschaft von Friedrich Olivier
im Museum der Bildenden Künste zu Leipzig stand
bisher in seinem Schaffen vereinzelt als einmalige,
nie wieder erreichte Leistung. Jetzt tritt das als
Leihgabe aus der Sammlung Von der Heydt kom-
mende „ItalienischeStändchen" durchaus ebenbürtig
als eines der innigsten und reinsten Werke der deut-
schen Romantik an die Seite. Das Bild war 1829 in
München, 1855 in Braunschweig ausgestellt, entstan-
denist es aber zur gleichenZeit wie dieLeipziger Ideal-
landschaft, während des italienischen Aufenthaltes
von Friedrich Olivier. Julius Schnorr, Theodor Reh-
benitz und Friedrich Olivier lebten im Palazzo Caf-
farelli in Rom in enger künstlerischer und mensch-

licher Gemeinschaft. Zu ihnen gesellte sich Franz
Hornv, wenn er aus Olevano herabkam. Oft waren
die Freunde auch bei ihm auf der Casa Baldi und
durchstreiften landschafternd die Albaner Berge.
Damals, 1820—22, hat Julius Schnorr seine schön-
sten italienischen Landschaften gezeichnet, denen
er gern Szenen aus dem Leben der italienischen
Landleute einfügte, wie er es zuvor auf den Salz-
burger Landschaften von Ferdinand Olivier gesehen
hatte. Friedrich Olivier folgte seinem Freunde, aber
noch stärker wurde er von den Werken des jungen
Franz Horn v angesprochen. Dem italienischen Ständ-
chen liegt wohl das Erlebnis einer Abendstunde in
Castell Gandolfo zugrunde. Wir sehen in die enge,
steil in die Tiefe fallende Gasse des Städtchens und
blicken über einen See in die Berglandscbaft. Der
Mond erfüllt alles mit einem ungewissen milden
Schein. Aus der durchsichtigen Dämmerung tauchen
die Farben der Schultertücher der italienischen
Mädchen, wie lila Samt glimmt die Weste des
Guitarrespielers. Das Mädchen, dem das Ständchen
gilt, ist lauschend aus der Türe des Hauses getreten,
durch deren Spalte noch der Schein des Lichtes fällt.
Ein junges Liebespaar sitzt Hand in Hand unter
einemOrangenbaum.Wie hoch steht dasWerk überall
den Genredarstellungen des italienischenVolkslebens.
Sein gesetzmäßiger Aufbau, seine reine Zeichnung,
seine klaren Farben sind der Ausdruck tiefer
Empfindung und geben ihm eine zeitlos-stille und
deutsche Seligkeit.

In den Besitz der National galerie ist nun auch Alfred
Rethels berühmtes Bildnis seiner Mutter über-
gegangen, und damit den ungewissen Schicksalen
privaten Besitzes entzogen. In der Größe der künst-
lerischen Gesinnung, als Ausdruck ehrfürchtiger
Sohnesliebe steht dasY\ erk neben dem Doppelbildnis
der Eltern von Philipp Otto Runge und bezeugt, daß
Rethel der ebenbürtige Erbe der Romantik ist.

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