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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 51.1935-1936

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Niebelschütz, Ernst von: Der Künstler und sein Modell, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.16483#0204

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Josef Weisz. Alter Brunnen bei Abano-Terme bei Padua. Zeichnung

Der Künstler Und sein Modeil. Von Ernst v.Niebelschütz,Magdeburg

Über das Schicksal der großen Künstlermodelle gibt
es unzählige Geschichten, wahre und erfundene,
heitere und noch mehr traurige, in denen von
Frauen die Rede ist, die selbst nie schöpferisch tätig
gewesen sind und doch im Reigen der Unsterb-
lichen wandeln, auch wenn nur ein schwacher
Strahl des Genius auf sie, die sonst Namenlosen und
Verwehten, gefallen ist, ihr Licht also, wie das des
Mondes, nur ein erborgtes ist. Nur auf wenige kön-
nen wir hier eingehen, doch werden es diejenigen
sein, in denen sozusagen das ,,Urphänomen'" in den
Beziehungen zwischen Künstler und Modell zutage
tritt und ein Fall für tausend gilt.
In der allgemeinen Anschauung ist das Modell fe-
minini generis, obschon jeder weiß, daß der Begriff
alles Sichtbare umfaßt und darum in unserer
Sprache als Neutrum geführt wird. Aber was geht
uns der Feldblumenstrauß an, der Thoma zu einem

seiner herrlichsten Stilleben Modell gestanden hat?
Wir glauben zu wissen, daß er nach kurzem Ge-
brauch in der Gosse geendet ist. Das soll dem weib-
lichen Modell nun allerdings auch zuweilen passie-
ren, und die Kunstgeschichte kann ja leider mit
einer ganzen Reihe solcher Erniedrigungen aufwar-
ten. Allein der Weg vom Atelier zur Gosse ist hier,
wo es sich um Menschen handelt, unserer Teil-
nahme doch ungleich gewisser, als der des armen
Blumenstraußes. Auch braucht es keineswegs im-
mer der Rinnstein zu sein. Es geht oft ganz anders
zu als in Murgers ,,Boheme"", wo Grisette und Akt-
modell identisch sind und das Ende stets die große
Leere und Enttäuschung ist. Auch Fälle des Auf-
stiegs, ja unerhörten Glanzes sind nicht selten, und
selbst wo es schlecht abläuft, bleibt noch immer
etwas vom Ruhme des großen Künstlers an dessen
Modellen haften. Was wüßten wir heute von

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