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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 51.1935-1936

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Eckstein, Hans: Fritz von Uhde
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Fritz von Uhde. Von Hans Eckstein

Am 25. Februar werden fünfundzwanzig Jahre seit
dem Tage verflossen sein, an dem Fritz von Uhde
als ein Zweiundsechzigjähriger in München ver-
schied. Unter den bedeutenden deutschen Malern
des Impressionismus ist er als Erster dahingegan-
gen, am raschesten auch dem allgemeinen Bewußt-
sein entschwunden — in einem Maße, das weder
zu dem sensationellen Erfolge, den Uhdes reli-
giöse Bilder in den achtziger und neunziger Jahren
des vorigen Jahrhunderts hatten, noch zu seiner
künstlerischen Bedeutung in einem rechten Ver-
hältnis zu stehen scheint. Wir vermögen, wenn wir
Uhdes Werk als Ganzes überschauen, vieles davon
und gerade das. was ihm selbst und seinen Zeitge-
nossen als das Wesentliche erschienen war, nur noch
aus der Distanz historischer Betrachtung zu begrei-
fen. Distanzierend wirkt dabei durchaus nicht der
Abstand, den wir inzwischen zeitlich und geistig
vom Impressionismus gewonnen haben, sondern
ausschließlich die eigenartige Problematik, in die
Lhde den Impressionismus verstrickt hatte.
Eine Zeitlang, in dem Jahrzehnt vor der Jahrhun-
dertwende, war Lhde der volkstümlichste der deut-
schen Impressionisten. Seine Kunst war außeror-
dentlich aktuell. So wenig Anerkennung seine reli-
giösen Bilder bei der lutherischen Geistlichkeit fan-
den, so großen Erfolg hatte Uhde beim Ausstellungs-
publikum. Die Kirchen blieben seinen dogmenfrem-
den Christusbildern, in denen die Geistlichkeit eine
gefährliche „sozialistische Tendenz"' witterte, ver-
schlossen: nur ein einziges Gemälde hat als Altar-
schmuck in Zwickau Verwendung gefunden. In
den Kreisen der Kunstfreunde und Sammler aber,
die von dem literarischen Naturalismus innerlichst
ergriffen waren, fanden sie begeisterte Aufnahme.
Diese einst berühmtere Hälfte seines Werks. Uhdes
evangelisch-soziale Zeitkunst, war eigentlich schon
vor dem Tode des Meisters nur noch ein kulturge-
schichtliches Faktum. Uhde selbst hat sich ziemlich
resigniert in späteren Jahren über seine religiöse
Malerei geäußert: ,,Vielleicht war es überhaupt für
mich ein Irrtum. Christus zu malen. Eine spätere
Zeit wird entscheiden, ob ich recht damit getan
habe, Christus wieder in die Kunst hineinzuziehen,
und wenn auch nur als Verkörperung des Lichts,
wie ich es auffasse . . . Man kann und dürfte Chri-
stus eigentlich gar nicht malen. Meine Art ist ja
auch nur als Versuch aufzufassen . . . ich wollte
auf den größeren Inhalt meiner Malerei nicht ver-
zichten . . . Vielleicht wäre Reinbrandt ohne seine
religiösen Bilder derselbe Rembrandt. Aber ich
glaube das doch nicht. Vielleicht wäre eine Kunst,
die, ohne Christus zu geben, doch religiös wäre, grö-
ßer und hätte noch tiefere Werte! . . . Ich wollte die
Dinge aus dem Dunkel erlösen. Wie Rembrandt
alles, was er anfaßte, durch Licht vergeistigte . . .
Er war vielleicht der einzige, der wirklich Christus
malen konnte . . ."

Der Irrtum lag gewiß nicht darin, daß Ühde reli-

giöse oder biblische Motive wählte. Er glaubte an
die Möglichkeit einer Vergegenwärtigung des Chri-
stentums und Christi selbst, indem er die uralten
religiösen Motive mit dem modernen sozialen Le-
ben verband und in die moderne Malteclmik, ins
Plein-air hinüberzog. Eine sozialpolitische Ausdeu-
tung der christlichen Heilslehre lagLlide wohl fern.
Es mochte ihm lediglich daran gelegen sein, dem
Wort ,,Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der
Welt Ende" für das aufgeklärte Kulturbewußtsein
seiner Tage durch das Bild neue Überzeugungs-
kraft zu geben. So malte er „denChristus von heute,
ihn. der jeden Tag kommen konnte", die Gestalt
des Heilands in der Lnigebung moderner Bauern,
Handwerker und Arbeiter, biblische Geschichte,
des konventionellen historischen Kostüms, aber auch
alles sakralen Charakters entkleidet. Die Geistlich-
keit warf ihm vor, er ,,erniedrige die Personen des
Evangeliums zu modernen Proletariern, die zuwei-
len an das Zuchthaus erinnern". So gewiß Lhde
diese Bilder aus tiefer, gläubiger Überzeugtheit und
aus lauterem Herzen malte, so trifft dieser Vorwurf
eben doch das Wesentliche. Der Mangel liegt frei-
lich nicht, wie die Geistlichkeit meinte, im Gegen-
ständlichen an sich, er liegt im Künstlerischen, in
dem ernüchternden Naturalismus dieser vom Pho-
tographischen nicht ganz freien, ängstlich am Mo-
dell klebenden Malerei. Undogmatisch, unsakral,
konventionsentbunden. ganz persönlich-bekenntnis-
haft (wie es im Grunde die für den Protestantis-
mus einzig mögliche Art einer religiösen Kunst ist)
hat auch Rembrandt evangelische und biblische
Motive gemalt. Nicht nur Rembrandt, auch Dau-
mier (sein ..Ecce Homo" im Folkwang-Museum.
sein Bild ,,Christus mit Jüngern" im Rijksmuseum
zu Amsterdam) • Aber weder Rembrandt noch Dau-
mier — oder um einen Modernen noch zu nennen:
Barlach in seinen Zeichnungen — sind dabei trivial
geworden. Ihre Bilder haben dank einer absoluten
künstlerischen Schöpfungskraft jenes Transzen-
dente, über den Gegenstand Hinausweisende. Auch
das zeitloseste, ewige, erhabenste Thema gewinnt
,.ewige", wirkende Gegenwart nur durch die Voll-
macht des Künstlerischen. Uhdes religiöse Bilder
waren ein pädagogisches Programm. Darum haben
sie eine Zeitlang eine starke und gewiß auch frucht-
bare Wirkung geübt — als eine Kunst aus und für
die Zeit, deren Volkstümlichkeit aber mit ihrer
Aktualität schnell verblaßte, weil sie des tiefen
Atems des ,,Ewigen" entbehrten.
L'hde wollte über das L'art pour l'art hinaus: „Als
ich so in die Moderne hineinkam, respektive aus
dem Schwarzen heraus ins Licht, als ich aus der
ewigen braunen Ateliertunke losstrebte, da habe
ich gedacht: etwas muß dabei sein, das die Leute
innerlich packt . . . Ich wollte nicht bloß Naturstu-
dien geben, ich suchte Inhalt: sonst sind, dachte ich,
ja von Haus aus die Bilder zu langweilig. Die Im-
pressionisten wollen nur eine neue malerische For-

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