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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 51.1935-1936

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Wackernagel, Martin: Giovanni della Palla, der erste Kunsthändler, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.16483#0233

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B Kunstblbllothek
Staatliche Museen
zu Berlin

Vasari, der in seinen jüngeren Jahren den Palla
selbst noch gekannt haben mag. schildert das rüh-
rige Treiben dieses Kunstagenten, der eine Menge
Bestellungen an Maler und Bildhauer ausgibt, da-
neben auch nach älteren Werken namhafter Meister
und nach Antiken Umschau hält und, wie Vasari
wohl mit einiger Übertreibung sagt, „Tag für Tag
etwas einzupacken und zu spedieren hatte"'. Ein-
zelne seiner Aufträge und Erwerbungen werden
auch namentlich angeführt: so die Brunnenfiguren
für den Park von Fontaineblau, die er, zur wirk-
samen Umrahmung einer anderweitig aufgetriebe-
nen antiken Granitschale dem Tribolo in Auftrag
gibt, die Kopien nach Pollaiuolos Herkulesbildern
(damals im Pal. Vecchio), die Ridolfo Ghirlandaio
für ihn ausführt, die Erwerbung eines Sebastians-
bildes von Fra Bartolomeo, das man kurz vorher
aus der Kirche von S. Marco in den Kapitelsaal des
Klosters hatte überführen müssen, weil einige
Frauen sich im Beichtstuhl wegen sündhafter An-
wandlungen anklagten, die der Anblick des schönen
nackten Jünglingskörpers in ihnen erweckt habe.
Schließlich vereinbarte Palla mit Andrea del Sarto
die Ausführung zweier Gemälde, des Isaakopfers
(jetzt in der Dresdner Galerie) und einer Pietä.
Doch erreichte ihn selbst sein böses Geschick, bevor
diese Bilder in seine Hände kamen.
\ erschied entlich versuchte Palla auch, wo irgend
sich in jenen unsicheren Zeiten eine Möglichkeit zu
bieten schien, aus altem Familienbesitz das eine
oder andere gute Objekt an sich zu bringen, wobei
er bisweilen auch an eine unrichtige Adresse ge-
langen und eine üble Abfuhr erleben konnte, wie
Vasari es für einen bestimmten Fall mit der drasti-
schen Unmittelbarkeit des direkten Zeugenberichtes
schildert.

Es handelte sich um eine ganze, kostbare Zimmer-
ausstattung, mit reichgeschnitztem Wandgetäfer
und prächtiger Bettstatt, in deren Füllungen ein
Zyklus mittelgroßer und kleinerer Bilder der Jo-
sephslegende eingelassen war. Dieses Ensemble, das
als eines der vorzüglichsten Beispiele Florentini-
scher Wohnkultur der Zeit gelten durfte, hatte Pier
Francesco Borgherini gegen 1520 durch Andrea del
Sarto, Granacci, Pontormo u. a. in seinem Haus
am Borgo Ss. Apostoli ausführen und einbauen las-
sen. Jetzt, wo der Hausherr, der politischen Span-
nungen wegen, aus Florenz abwesend war, schien
eine für Palla besonders günstige Situation gegeben
zu sein. Und auch die Signorie der Stadt, die dem
französischen König gerne gefällig sein mochte,
unterstützte sein Vorhaben durch eine nachdrück-
lich empfehlende Botschaft an die noch im Hause
wohnen gebliebene Ehefrau Borgherinis. Diese
aber, eine altflorentinische Patrizierin aus dem
ehrenreichen Geschlechte der Acciaiuoli, ließ dem
Palla und den Boten der Stadt eine Antwort zuteil
werden, deren unerhörte Schärfe offenbar solchen
Eindruck machte, daß auch Vasari sie im ungefäh-
ren Wortlaut zugetragen bekam und sie später mit
aller Ausführlichkeit, in direkter Rede in die Bio-
graphie Pontormos eingefügt hat.

Man höre daraus nur etwa folgende Sätze:
„Wie, Giovanni Battista, du elender Trödler und
Viergroschenkrämer (mercatantuccio di quattro
soldi), du willst dich erfrechen, die Schmuckstücke
herauszureißen aus den Wohnungen der Gentiluo-
mini, willst unsere Stadt berauben ihrer schönsten
Besitztümer, damit fremde Gegenden und die Häu-
ser unserer Feinde dadurch ausgeschmückt werden
sollen!" —

„Dieses Bett hier, nach dem dein Geschäftsinteresse
und deine Gewinngier trachtet, ist das Bett meiner
Hochzeit gewesen, zu deren Ehren mein Schwieger-
vater all diesen prächtigen und kostbaren Schmuck
hat anbringen lassen. Um seines Gedächtnisses und
um der Liebe meines Mannes willen ist dieses Bett
mir ehrwürdig, und mit meinem Blut und Leben
würde ich bereit sein, es zu verteidigen1" . . .
Zu gewaltsamer Enteignung hatte Palla jedoch
keine Vollmachten; und Vasari stellt mit Genug-
tuung fest, daß noch zur Zeit seiner Aufzeichnun-
gen (um 1560) das Haus Borgherini jene pracht-
volle Schlaf zimmerausstattung intakt bewahre.
Nicht lange danach aber ist sie dann doch zerstük-
kelt und verkauft worden, und die einzelnen Ge-
mälde jenes Josephszyklus finden sich heute in ver-
schiedenen Museen, in Florenz, Rom, London ver-
streut. Aus ihrem ursprünglichen, sinn- und zweck-
vollen Zusammenhang herausgerissen, leben diese
Bilder — wie die vielen anderen Malwerke des 15.
und frühen 16. Jahrhunderts, die einst in ähnlicher
Anordnung und Funktion als ziervolle Füllstücke
in Wandgetäfer oder Prunkmöbel eingelassen wa-
ren — nur mehr in ..zweckloser" Museumsexistenz
fort: als entwurzelte, in neutrale Einzelrahmen ge-
faßte Fragmente eines einstmaligen schöngeordne-
ten Ganzen, mit dem die Areranlasser und ersten
Besitzer ihr eigenes tägliches Leben auf das edelste
zu umkränzen vermocht hatten. So erscheint denn
auch das Schicksal dieses Borgherinischen Gemälde-
zvklus als anschauliches Beispiel — ein Beispiel
unter vielen anderen — für die verhängnisvoll zer-
störende Auswirkung sammlerischer Besitzgier und
des in ihrem Dienste stehenden Kunsthandels.
Battista della Palla selbst fand bald nach der eben
erzählten Episode ein unvermutet tragisches Ende:
Nach der Eroberung von Florenz (1550) ist er, als
alter Medicigegner und Diener Frankreichs, ins
Gefängnis geworfen und dort zwei Jahre später um-
gebracht worden.

Wir verweilten bei diesem ersten Vertreter des aus-
gesprochenen Kunsfhändlertvps, weil ihm in seinem
ganzen Auftreten und Gebaren eine gewissermaßen
svmptomatische Bedeutung zukommt: Die stili-
stische Zeitwende, in der eben damals der Übergang
zum Manierismus und späteren Barock hin sich an-
bahnte, sie offenbart zugleich, mit den von Palla
erstmals verkörperten Funktionen des berufsmäßi-
gen Vermittlers auf dem Kunstmarkt, eine bis da-
hin gleichfalls noch nicht bekannte Funktion der
namhafteren Künstler und Kunstwerke selbst.

Fortsetzung Seite 220

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