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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 51.1935-1936

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Christoffel, Ulrich: Hermann Hubacher
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https://doi.org/10.11588/diglit.16483#0226

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H. Hubacher. Büste des Dichters Hermann Hesse

Museum Winterthur

Huber-Denkmales in Bern und einer ähnlichen spä-
tem Studie in Terrakotta bildet sich dieses Gleich-
gewicht der form um einige einfache Achsen und
Geraden, deren nicht harte, aber bestimmte Paral-
lelität durch die welligen Falten der Gewänder in
bewegte Schwingung gebracht wird. Die Samm-
lung der Form nach wenigen vereinfachten Rich-
tungen tritt besonders in den letzten Werken mit
einem zu höherem Stil drängenden Eigenwillen her-
vor, und man könnte sich durch alemannische Ver-
wandtschaft an Arnold Böcklin erinnert fühlen, der
seinen Figuren bei straffer Fülle gern eine eckige
Geradheit der Haltung oder Armstellung gab. Eine
Bronzefigur im Park am Zürichhorn sitzt mit rück-
wärts aufgestützten Armen und stark vorragenden
Knien auf einem Postament und richtet und streckt
sich in einem Geflecht von spitzen und stumpfen
Winkeln und Schrägen auf. das aber in seiner her-
ben Betonung durch die Kugelungen der Achsen.
Brüste und Knie wieder melodiös ausgeweitet wird.
Die streng gerichtete Figur atmet in Linien und im
Ton der Bronze satte Natur. Im Brahmsdenkmal
für Thun, einem stehenden Mädchen, das horchend
die rechte Hand ans Ohr legt und die linke leise
fühlend zu heben beginnt, ist die plastische Form
umgedeutet in den Geist innern Hörens, daß die
Musik den Leib wie einen durchsichtigen Kristall
erfüllt. Man denkt nicht an einen nackten Körper.

der modelliert wurde, sondern nimmt die aufstei-
gende Bewegung der Gestalt als naturgewordenes
Hören und Tönen wahr. Die Plastik Hubachers
wölbt sich körperhaft voll nach außen und sammelt
sich geistig nach innen, und aus dem gesunden
Wechsel dieses Aus- und Einziehens der Gleitung
und Wellung aller Linien ergibt sich ihre wohl-
tuende Schönheit.

Es ergibt sich schon aus dieser musikalisch-plasti-
schen Veranlagung, daß Hubacher trotz der über-
individuellen Xaturhaftigkeit seiner Gestaltung
auch ein Bildnisplastiker von scharfer und tiefer
Beobachtung und Fühlung werden konnte. Der
männliche Ernst seiner Formzeichnung tritt beson-
ders in den Herrenbildnissen Hermann Hesse, Karl
Hofer, Georg Beinhart, General von Sprecher her-
vor. Die Köpfe sind zunächst aus der vollen Hand
gerundet und getastet, aber da die sehr empfind-
liche Liniensprache von einem echten, zuverlässi-
gen Urteil für das Menschliche gestützt ward, wach-
sen die persönlichen Gesichtszüge mit entschiedener
Kraft aus dem Formganzen hervor und die Köpfe
erwachen von innen her zum Leben, das Hubacher
vornehmlich in der Mundlinie findet. Man kann
sich im Bildnis kaum weiter von der Photographie
und Modellspieglung entfernt halten, als Hubacher
es vermag, aber darin erweist sich sein meisterliches
Künstlertum, daß er aus dem schöpfen kann, was
ihm von der Natur gegeben wurde.

H. Hubacher. Italienisches Mädchen

Staatsgalerie Mönchen

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