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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 57.1941-1942

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https://doi.org/10.11588/diglit.16490#0044

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Italienbilder deutscher Künstler. Ausstellung des Amts Rosenberg der NSDAP, im Berliner Künstlerhaus

Es ist 29 Künstlern Gelegenheit gegeben, mit insgesamt 175
Werken zu zeigen, wie die italienische Landschaft auf ihr
künstlerisches Empfinden einwirkte. Selbstverständlich sind
diese Werke von ihnen nicht für die hier gebotene Ausstel-
lungsmöglichkeit geschaffen, sondern aus ihrem Atelierbe-
stand ausgewählt oder aus Privatbesitz zusammengetragen
worden. Es handelt sich also um eine freie und unbeein-
flußte Äußerung. Sehr interessant hätte es sein können, wenn
auch Werke von Italienfahrern aus früheren Zeiten zum Ver-
gleich gezeigt worden wären, aber das war, wenn beabsich-
tigt, bei den derzeitigen Versendungsschwierigkeiten nicht
möglich. Immerhin reichen Alter und Verwurzelung eines
nicht unerheblichen Teils der Aussteller so weit zurück, daß
die Überlegung zulässig erscheint, ob im Wollen der Jün-
geren eine Schwenkung eingetreten ist.

Es ist gut, sich daran zu erinnern, daß die Italiensehnsucht
der Deutschen zuerst von Literaten und Kunsthistorikern
(Winckelmann) erweckt worden war, denen dann die Künst-
ler folgen. Vielfach widerstrebend, sind auch die selbstän-
digeren und bedeutenden Maler dieser allgemeinen Tendenz
der „Empfindsamkeit" erlegen. Gegenständlich waren es die
sogenannten „schönsten Punkte", die modellartig dargestellt
wurden. Das künstlerische Schaffen der deutschen Maler in
Italien drehte sich zwischen zwei Angelpunkten: der heroi-
schen Art des Nicolas Poussin, der Josef Anton Koch nach-
strebte, oder dem „Arkadien" des Claude Lorrain.
Es wurde für die „empfindsamen Reisenden", wie der Dichter
Tieck es ausdrückte, „jede schöne Gegend wie Wildpret ge-
schossen". Entweder ungehemmte Romantik oder „Porträt-
landschaften", wie Goethe sie nannte, wurden gefordert.
Selbstverständlich sind trotzdem bedeutende Kunstwerke
entstanden, aber wenn darin die Maler die persönlichen Er-
lebnisse von Licht, Wetter, Größe und Ferne ausgesprochen
haben, so taten sie dies dem Publikum gegenüber, wenn man
so sagen darf, auf ihre eigene Rechnung und Gefahr.
In solcher äußerlichen Abhängigkeit befinden sich die deut-
schen Italienmaler der Gegenwart nicht mehr. Wer sich ihr
dennoch unterwirft, sucht längst seinen Erfolg in den tieferen
Regionen. Die freien Künstler wollen wiedergeben, was sie
selbst anregt und ihrer eigenen Sprache gemäß ist, und je
weiter sie sich im Lebensalter von jener Zeit entfernen, desto
deutlicher prägt sich jetzt in ihrem Schaffen der „Zeitwille"
aus, dem sie sich nicht entziehen können und wollen. Man
kann in dieser Ausstellung an den Werken der älteren und
jüngeren Künstler erkennen, wie er sich allmählich zu wan-
deln begonnen hat.

Das Heroische spricht zu Hermann Urban, und er antwortet
ihm in einer groß gesehenen „Vulkanischen Küste", einer
grau zerklüfteten Landzunge, die in die weithin leuchtende
Meeresfläche hineinragt. Karl Leipolds „Titusbogen" steht
mit gelbgrauem Gestein in aufgelöster Körperlichkeit vor
tiefblauem wolkenlosem Himmel: in seinem Hafenbild von
„Venedig" verschwinden die Formen der Salute in dunstiger
Ferne, in der Art von Turners Naturanschauung. Auch in
Friedrich Pfannschmidts Rildern geht es, doch in anderer
Art, auf das Erlebnis des Atmosphärischen. Er zeigt zweimal
die „Stürmische Mondnacht in Taormina", wo der Sturm in
die Wolkenbank stößt, oder vor tiefem Blau die Wolken
sich jagen. Oder den „Herbstwind über Palermo", wo Wol-
kenschatten und schwaches Sonnenlicht über grünen Matten
sich ablösen. Ferner den Wechsel der Jahreszeiten in Som-
mer- und Herbstbildern aus dem Sabinergebirge bei „Ole-
vano". Friedrich Stahls Landschaften stehen für sich allein

und wiederholen mit großer koloristischer Feinheit das
Naturerlebnis der frühen Florentiner. Max Rabes erinnert
mit seinen ansprechenden Darstellungen aus dem Volksleben
an die Zeit Oswald Achenbachs.

Das Licht ist in Italien lebenspendend überall und nirgends.
Sehr schön gibt es Hugo Gugg in seinem „Paestum", wo es
zwischen beiderseits geballten Raumgruppen aus breiter
Iiodenfläche vor dem Tempel „unsichtbar" gegen den fahlen
Himmel wirkt. In Camill Guggs weit gedehnter, ideal aufge-
faßter „Landschaft bei Sorrento" läßt es die weiteste Ferne
noch deutlich mitsprechen. Daneben wirkt das Licht in Otto
A. Hirths „Antikem Triumphbogen" kulissenhaft und läßt,
scharf seitlich einfallend, das Gegenständliche fast überwirk-
lich plastisch erscheinen.

Das Malerische im rein koloristischen Sinne reizt viele
Künstler, die keine „Ideen hineintragen", sondern ihre Augen
anregen lassen wollen. Sie finden es im Norden wie im Süden
des Landes. In Ernst Wicherts „Villa municipale in Nervi"
stehen Palmen in verschieden hellem Grün vor einem weiß-
gelblichen Haus; in seiner „Küste von Nervi" ist leichtes Blau
gegen Grau gestellt. In Jean Paul Schmitz'„Italienischer Land-
schaft", eine Schafherde vor Platanen neben einem Schlucht-
eingang, sind braungrüne Töne zu weißlichem Gelb gestimmt.
Mit toniger Frische setzt Alfred Knispel in den „Säulen des
Castortempels in Rom" Braun gegen Grau und Blau; ähn-
lich in seinem fernsichtigen „Blick von Frascati". Die Gegend
um Neapel reizt E. A. von Mandelsloh zu dekorativen Im-
pressionen, die er im „Capo Miseno" zu geschlossener Wir-
kung zusammenfaßt.

Die eigenartige Räumlichkeit der Landschaft bleibt jedem
Besucher Italiens besonders in Erinnerung. Manchen Künst-
lern ist der Sinn dafür schon in der deutschen Heimat an-
geboren. Philipp Franck und der ihm geistig verwandte Otto
Geigenberger, sie „reißen" sich, man möchte es fast buchstäb-
lich so bezeichnen, ihr Stück Raum heraus; das lineare Zusam-
menbauen der Räume ist ihnen noch wichtiger als die Far-
ben, die Franck zuweilen von seinem geliebten Wannsee „fer-
tig" mitbringt und sie hier stärker aufleuchten läßt, wie zum
Reispiel in seiner „Pergola auf Ischia". Ludwig von Hofmann
geht zurückhaltender, aber mit nicht minder erfüllter Wir-
kung ans Werk, z. B. wenn er die „Burg von Assisi" aufstei-
gen läßt. Oder Hermann Radzig-Radzyk, bei dessen „Rück
auf Positano" man an die architektonisch noch viel mehr
vereinfachende scharfe Art Alexander Kanoldts denken muß.
Auch Fritz Rheins Aquarelle aus „Siena" sind in diesem Zu-
sammenhang zu nennen.

Dieses „Räumliche" scheint die Aufgabe zu sein, der sich die
Jüngeren mit verstärktem Nachdruck widmen wollen; um es
noch klarer, noch „sachlicher" herauszustellen, bedienen sie
sich der reinen Zeichnung oder des zeichnerisch angelegten
Aquarells. Auf den Zeichnungen — nach architektonischen
Einzelheiten und mit besonderem Können in Überblicken
über städtebauliche Komplexe oder in landschaftlichen Fern-
sichten — liegt der Schwerpunkt der gegenwärtigen Ausstel-
lung. Ohne qualitativ besonders unterscheiden zu wollen,
nennen wir in alphabetischer Reihenfolge die Namen dieser
Künstler, die mit großem Eifer und sehr beachtlichem Kön-
nen am Werke sind: Peter Förster, Heinz Fuchs, Walter
KHnkert, Hildegard Klinkert-Weinitschke, Oskar Neriinger,
Hermann Teuber und Herbert Tucholski. In diesem Zusam-
menhang darf Paul Herrmann nicht vergessen werden, in des-
sen großer „Santa Maria della Salute" die Baukunst Venedigs
erstaunlich lebendig wird. F. Hellwag
 
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