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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 57.1941-1942

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Kroll, Bruno: Philipp Franck
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https://doi.org/10.11588/diglit.16490#0077

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Maske
und Gesicht

der
sowjetischen

Kunst

Von Kriegsberichter
Henri Nannen

G. M. Maljarewa. Hunger

Dem deutschen Soldaten, der in den vom Bolschewis-
mus befreiten Gebieten Weißrußlands nach Zeugnis-
sen einer sowjetischen Kultur Umschau hält, kommt
ein seltsames Geschick zu Hilfe: der große Brand
von Minsk hat drei Gebäude verschont, die einen ge-
radezu dokumentarischen Anschauungswert aufwei-
sen — die Russisch-ortbodoxe Kathedrale, die „Oper
der sozialistischen Werktätigen" und das Kunstaus-
stellungsgebäude an der Karl-Marx-Straße.
Auf der Höhe der Stadt, die sich von den Ufern der
Swislotsch über zwei Hügel hin erstreckt, zeichnet
sich zwischen ausgebrannten Ruinen und Schuttmas-
sen ein größerer Platz ab, der nach Westen von einer
eindrucksvollen frühbarocken Kirchenfassade abge-
schlossen wird. Es ist ein durchaus westliches Bild,
denn der aus Polen zugewanderte Baumeister Kasi-
mir Marzewsky hat die entscheidenden Anregungen
zu seinem Bau in Deutschland empfangen. Der Krieg
ist an dieser Kirche spurlos vorübergegangen, die vor-
handenen Zerstörungen sind lediglich Zeichen einer

Baufälligkeit, zu deren Behebung sich seit einem
Vierteljahrhundert keine Hand gerührt hat. Immer-
hin, die Kreuze auf den Türmen und Giebeln sind
unversehrt, und die Figuren der Heiligen sehen aus
ihren Nischen unbewegt auf das Trümmerfeld zu
ihren Füßen. Der Betrachter, der ein solches Bild im
Lande des organisierten Pieligionshasses nicht erwar-
tet hatte, tritt interessiert näher. Eine mächtige Tür
knarrt in ihren Angeln, ein dunkler Gang tut sich auf,
dahinter eine zweite Tür. Und dann steht der er-
staunte Betrachter — kaum traut er seinen Augen —
in einer riesigen — Kraftwagenwerkstatt, die den
ganzen Kirchenraum ausfüllt. Die Wände mit ihren
alten Malereien sind rußverschmiert, die biblischen
Gestalten der Sakristeifresken mit obszönen Zutaten
geschändet, und w7o früher der Hochaltar gestanden
hat, befindet sich nun eine schmutzstarrende Mon-
tagegrube. Zwischen den Pfeilern liegen einige bei
der Flucht der Sowjets zerstörte Kraftwagen, rings
an den "Wänden haben Flüchtlinge ihr zerlumptes

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