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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 57.1941-1942

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Kroll, Bruno: Philipp Franck
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https://doi.org/10.11588/diglit.16490#0079

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N. J. Golowtschenko. Die Oper der sozialistischen Werktätigen

Gegenwartsplastik erschöpfe sich in der Verherr-
lichung bolschewistischer Parteigrößen — eine An-
sicht, die übrigens durch die in der Ausstellung fer-
ner gezeigten bildhauerischen Arbeiten nur noch be-
kräftigt wird.

Die künstlerische Form dieser Plastik ist belanglos,
es ist die ewig gleiche in allen Ländern Europas wie-
derkehrende Darstellung von Männern im Gehrock,
denen als Attribut ihrer jeweiligen Bedeutung ab-
wechselnd ein steifer Hut, ein Buch oder ein Schwert
in die Hand gegeben ist. Der Gesamteindruck ist
jedenfalls der eines im übrigen Europa längst über-
lebten bürgerlichen Naturalismus; von einer die
Form beherrschenden Haltung — geschweige gar
von einer revolutionären — kann keine Rede sein.
Einen tieferen Einblick in die Problematik des sowje-
tischen Kunstschaffens gewähren Malerei und Gra-
phik. Hier offenbaren sich Gesicht und Maske der
sowjetischen Kunst in ihrer erschütternden Zwie-
spältigkeit. Die Malerei zeigt nichts als einen schlech-
ten, zahmen Naturalismus ältester Prägung, der
ganz in den Dienst bolschewistischer Propaganda ge-
stellt ist. Der Satz Goethes, wonach der Künstler bil-
den, nicht aber reden solle, ist hier in sein Gegenteil
verkehrt: das Thema, die Erzählung, die tenden-
ziöse Proklamation bedeutet alles, die künstlerische
Form ist ungekonnt und nichtssagend. Nirgends

steht die Gesinnung vor der Form, nirgends ist sie
Gestalt geworden — es ergibt sich die paradoxe Tat-
sache, daß eine angeblich weltrevolutionäre Idee mit
in des Wortes beschränktestem Sinne bürgerlichen
Mitteln vorgetragen wird. Geradezu grotesk wirkt
diese Widersinnigkeit in einem Bilde wie die 3 Män-
ner mit Leninbüste (Abb.S.45), von dem sich der Be-
trachter kaum vorstellen konnte, daß es überhaupt
ernstzunehmen sei, das aber nach zwanzigjährigen
sowj etischen Kunstbemühungen einen hervorragenden
Platz in einer Rechenschaftsausstellung der Sowjet-
künstler einnimmt! Zahlreich vertreten sind Dar-
stellungen aus der bolschewistischen Revolutionsge-
schichte: „Rotgardisten im Straßenkampf gegen zari-
stische Banden", „Die Verschwörer", „Aufstand des
Proletariats", so und ähnlich lauten die Bildunter-
schriften dieser „Gemälde", auf die einzig und allein
der bekannte Ausdruck von den „historischen Schin-
ken" paßt. Lenin, Stalin und die Erzväter des Bol-
schewismus Marx und Engels finden sich in mehre-
ren Variationen. Hinzu kommen Szenen aus dem in-
dustriellen und bäuerlichen Arbeitsleben in genrehaf-
ter Auffassung, jedoch ohne jede lebendige Echtheit,
wie sie etwa Menzels Walzwerk auszeichnet. Neben
diesen figürlichen Themen tritt die Landschafts-
malerei bezeichnenderweise fast völlig zurück, nur
einige schlechte Nachfahren eines primitiv nachge-

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