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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 8.1910

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Heft 12
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Chronik / Neue Bücher
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https://doi.org/10.11588/diglit.3548#0636

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und niederländischen Kunst schon Holzschnitte, Kupfer-
stiche und Radierungen erschienen sind, glaubten die
Herausgeber wohl mit Recht, den so vorbereiteten Laien
und Liebhabern einmal eine Reihe von gut gewählten
und nachgebildeten Handzeichnungen vorlegen zu
dürfen. Es lässt sich erwarten, dass die Skizzen und
Entwürfe unserer Alten in ihrer frischen Lebendigkeit
dem modernen Empfinden näherstehen, als die oft er-
starrte und konventionelle Linie ihrer Schnitte und Stiche.

Das Heft bringt Zeichnungen von Schongauer,
dem Hausbuchmeister, Cranach, Burgkmair, Urs Graf
und etlichen anderen Meistern der Zeit. Besonders
interessieren sechs klug und feinsinnig gewählte Blätter
von Dürer, die die stilistische Ausreife dieses grössten
deutschen Zeichners illustrieren, darunter zwei über-
raschende Konzeptionen, wie die „Ruhe auf der Flucht"
von i j 11 und eine „Kreuztragung" aus den letzten
Jahren.

Als ein Vorzug der Sammlung sei erwähnt, dass der
Herausgeber sich mit sicherm Stilempfinden auf die Aus-
wahl vonStrichzeichnungen in einerFarbe beschränkt hat.
Farbige Zeichnungen und Pinselzeichnungen lassen sich
für den Buchdruck nun einmal nicht übertragen als durch
Netzätzung, die selten mehr giebt als einen Schimmer
vom Wert des Originals. Hier aber ist durch original-
grosse Strichätzung, in bräunlichem Ton auf mattem
Schreibpapier gedruckt, eine Wirkung gerettet, die der
Federzeichnung ziemlich nahkommt. So bedeutet der
Verzicht einen Gewinn, der für Studium und Genuss
gleich gross ist, und der Sammlung bei ihrem wohlfeilen
Preis unter den wenigen Wiedergaben von Handzeich-
nungen, die der deutsche Markt dem Laien bietet, einen
guten Platz sichert. S. R.

Der Bauern-Brueghel von Dr.Wilh. Hausen-
stein. München. R. Piper u. Co.

Die Aktualität Brueghels ist so gross, die Forderung,
ihn zu erkennen so brennend, dass ein Buch über ihn
sozusagen ganz von selbst entstehen muss: als eine
kleine Naturnotwendigkeit. Und den Wert einer solchen
wird es haben, wie immer es auch geartet sei. Nun ist
dies Brueghel-Buch ausserdem eine recht lesenswerte,
belesene Schrift, der es gelingt, von Allem, was um
Brueghel herum ist, einen lebendigen reichen Saft zu be-
reiten, der dann vomßrueghel-Kerngleichsamaufgesaugt
wird und diesen vor uns wachsen und gedeihen lässt.
(Und das giebt dieser wie jeder historischen Arbeit ihre
ästhetische Rechtfertigung.) Nicht so gelungen sind
die direkten Charakteristiken. Hier erscheint die schil-
dernde Klarheit zu sehr getrübt durch eine hyper-
trophische Fähigkeit oder Bereitschaft, moderne Werke
in Brueghel aufzuspüren. Was nur an ornamentalen
Lastern Lind liniensymbolistischen Perversitäten heute
vor sich geht, das alles sieht der Autor mit unge-

hemmtem Blick beim alten Brueghel schon sich rühren;
und mit lächelndem Entsetzen lesen wir die Kom-
positionsanalysen, die in einer Art von Farben- und
Linientrance entstanden sein müssen. — Doch ist auch
dieser Teil des Buches nicht ohne Interesse. Denn er
zeigt uns das neue Bestreben, die alte Kunst mit den
heutigen Fragen zu revidieren; und wenn der Verfasser
den Falschungsgefahren, die diesem Streben innewohnen,
auch nicht entgeht, so ist hier doch ein mutiger Schritt
gethan und Anregung zu manchem Besseren gegeben.

Leo Popper.

Memling. Des Meisters Gemälde in 197 Ab-
bildungen herausgegeben von Karl Voll. Klassiker der
Kunst in Gesamtausgaben. 14. Bd. Stuttgart, Deutsche
Verlagsanstalt. 1909.

Memling, der jüngste, dem Publikum bekannteste
unter den grossen Niederländern des fünfzehnten Jahr-
hunderts, ist der erste von Diesen, der in den Klassikern
der Kunst Aufnahme gefunden hat. Vielleicht erklärt
sich dies auch aus äusseren Gründen: das Oeuvre keines
seiner Vorgänger ist so vollständig erhalten, um für die
stattlichen Bände zu genügen.

Memling ist ein liebenswürdiges,schmiegsamesTem-
perament, einer der grossen Erzähler des Jahrhunderts,
ein Porträtist, der bei geschmackvoll geschlossenem Ar-
rangement psychische Werte betont. Der herbe Zug der
Wahrhaftigkeit, der die Grösse eines Jan van Eyck aus-
macht, eignet ihm aber nicht mehr. Er ist der Vollender
einer Epoche, die eine relativ geringe Anzahl von Pro-
blemen angeschnitten hat und der die glänzende Lö-
sung in technischer Beziehung Hauptzweck war. Auf
die strenge Kunst eines Jan van Eyck, Rogier, van der
Goes folgt die reizvolle, graziöse, schwächere, von lyri-
schen Elementen durchsetzte eines Memling. Vielleicht
sind diese letzten deutsches Erbteil, während sich bei
ihm, der aus der Mainzer Gegend stammt, aber wohl
sehr jung in die Niederlande eingewandert ist und
dessen früheste Bilder nicht erhalten sind, dieser Zu-
sammenhang sonst nicht nachweisen lässt.

Die Reproduktionen mit ihren zahlreichen Detail-
aufnahmen sind gut und namentlich für den Wissen-
schaftler ein willkommenes, handlich zusammengefügtes
Studienmaterial. Die Einleitung lag in Volls bewährter
Hand; ihre Richtungslinien wurden bereits im Memling-
kapitel seiner „Altniederländischen Malerei" (1906) vor-
gezeichnet. Doch mag der entwicklungsgeschichtliche
Standpunkt jetzt stärker betont sein. Befremden muss
es, dass einige der allgemein anerkannten Bilder Mem-
lings, wie die Bathseba in Stuttgart, die Maria in der
Sammlung Lichtenstein u. s. w., unter die zweifelhaften
und unechten Bilder gesetzt wurden, ohne dass der Ver-
fasser seinen abweichenden Standpunkt motiviert hätte.

Rosa Schapire.

ACHTER JAHRGANG. ZWÖLFTES HEFT. REDAKTIONSSCIILUSS AM 18. AUGUST. AUSGABE AM 1. SEl'Tl M111 K NKUNZKHJIIIUNDERTZEHN

REDAKTION: KARL SCHEFFLEE, BERLIN; VERANTWORTLICH IN ÖSTERRE1 CII - U N G AR N : HUGO HELLER, WIEN I.

VERLAG VON BRUNO CASSIRER IN BERLIN. GEDRUCKT IN DER OFFIZIN VON W. DRUGULIN ZU LEIPZIG_.^
 
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