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VOUS CROYEZ? LITHOGRAPHIE VON GREVEDON. 183t
Man würde glauben, ein solcher Reichtum
müsse die Mode zur Verschwenderin machen und
sie veranlassen, mit vollen Händen ihre Schätze zu
vergeuden. Weit gefehlt, das Gegenteil ist der Fall.
Sie geht sogar so sparsam mit ihremMaterial um, dass
sie sich in der Verwendung desselben die engsten
Grenzen steckt. Sie wendet ihre Vorliebe gewöhnlich
einem Stoff mit Ausschliesslichkeit zu, wobei sich
eine gewisse Periodizität unschwer feststellen lässt.
Das Rokoko mit seinen weiten Reifröcken wurde
von der Seide beherrscht und begleitet von einem
Ausputz, dessen Mannigfaltigkeit in Material und
Zeichnung Gräfin Genlis in ihren Erinnerungen
sehr ergötzlich beschreibt. Etwa in der Mitte der
achtziger Jahre des achtzehnten Jahrhunderts voll-
zieht die Mode eine Schwenkung, indem sie sich
den Musselinen zuwendet. Sie giebt den schweren
Stoff zugunsten des leichten auf, gleichzeitig den
buntfarbigen zugunsten des einfarbigen, am liebsten
ganz weissen. Das thut sie, trotzdem sie den leichten
Stoff zu Zwecken verwendet, die mit seinem
Charakter eigentlich in stärkstem Widerspruche
stehen. Die Mode schafft nämlich Schleppkleider
von acht bis zehn und zwölf Ellen Länge aus
Musselin. „Muss man erst gestehen, dass dies ziem-
lich dumm scheint," bemerkt die Baronin Dumontet
in ihren Denkwürdigkeiten, „es gehörte Kunst da-
zu, um diese Musselinkleider mit ihren langen
Schleppen mit Grazie zu tragen, sehr viel Grazie
aber, wollte man mit diesen langen engen Schleppen
einen Salon betreten oder verlassen, ohne an allen
Möbeln hängen zubleiben oderimTivoli promenieren
ohne einen Unfall". Etwa vier Jahrzehnte bleiben
die leichten Stoffe die grosse Mode, während
Sammet und Seide nur zu den Ausnahmsgelegen-
heiten grosser Feste aufgespart werden. Erst das
6z
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VOUS CROYEZ? LITHOGRAPHIE VON GREVEDON. 183t
Man würde glauben, ein solcher Reichtum
müsse die Mode zur Verschwenderin machen und
sie veranlassen, mit vollen Händen ihre Schätze zu
vergeuden. Weit gefehlt, das Gegenteil ist der Fall.
Sie geht sogar so sparsam mit ihremMaterial um, dass
sie sich in der Verwendung desselben die engsten
Grenzen steckt. Sie wendet ihre Vorliebe gewöhnlich
einem Stoff mit Ausschliesslichkeit zu, wobei sich
eine gewisse Periodizität unschwer feststellen lässt.
Das Rokoko mit seinen weiten Reifröcken wurde
von der Seide beherrscht und begleitet von einem
Ausputz, dessen Mannigfaltigkeit in Material und
Zeichnung Gräfin Genlis in ihren Erinnerungen
sehr ergötzlich beschreibt. Etwa in der Mitte der
achtziger Jahre des achtzehnten Jahrhunderts voll-
zieht die Mode eine Schwenkung, indem sie sich
den Musselinen zuwendet. Sie giebt den schweren
Stoff zugunsten des leichten auf, gleichzeitig den
buntfarbigen zugunsten des einfarbigen, am liebsten
ganz weissen. Das thut sie, trotzdem sie den leichten
Stoff zu Zwecken verwendet, die mit seinem
Charakter eigentlich in stärkstem Widerspruche
stehen. Die Mode schafft nämlich Schleppkleider
von acht bis zehn und zwölf Ellen Länge aus
Musselin. „Muss man erst gestehen, dass dies ziem-
lich dumm scheint," bemerkt die Baronin Dumontet
in ihren Denkwürdigkeiten, „es gehörte Kunst da-
zu, um diese Musselinkleider mit ihren langen
Schleppen mit Grazie zu tragen, sehr viel Grazie
aber, wollte man mit diesen langen engen Schleppen
einen Salon betreten oder verlassen, ohne an allen
Möbeln hängen zubleiben oderimTivoli promenieren
ohne einen Unfall". Etwa vier Jahrzehnte bleiben
die leichten Stoffe die grosse Mode, während
Sammet und Seide nur zu den Ausnahmsgelegen-
heiten grosser Feste aufgespart werden. Erst das
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