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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 15.1917

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Heft 4
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Pauli, Gustav: Wasmann
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https://doi.org/10.11588/diglit.4744#0175

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W A S M A N N

VON

GUSTAV PAULI

Man darf nicht sagen, dass Wasmann in Ver-
gessenheit geraten wäre; er war ja nie bekannt
geworden, er, der sich vor nunmehr bald drei Men-
schenaltern in Tirol verborgen hatte und dessen
Name in der Heimat und im Süden nur wenigen
Freunden vertraut geblieben war. Wohl aber ist
es seltsam, dass er nicht gleich beachtet, geehrt und
geliebt wurde, nachdem er durch Bernt Grönvold
einmal dem deutschen Publikum entgegengebracht
war. Denn alles vereinigte sich, um ihm und seiner
so liebevoll ausgestatteten Selbstbiographie die
günstigste Aufnahme zu versprechen.

Ein Künstler, der mit lebhaftem Gefühl und
wählerischem Geschmack seinerzeit angehört, hatte
ihn entdeckt — weil er mit der Sicherheit des
schöpferisch Begabten auf den ersten Blick in ein
paar Zeichnungen den Wert des Namenlosen erkannt
hatte. Und die Entdeckung des Künstlers durch den
Künstler bedeutet unter allen Umständen mehr als
die Entdeckung des Künstlers durch den Gelehrten;
denn sie beweist es, dass der Entdeckte mit den

wirkenden Kräften der Gegenwart zusammenhängt.
Warum wollte 1896 die Gegenwart sich nicht in
Wasmann erkennen? Warum verkannten die Deut-
schen ihr Geblüt? Seltsam und typisch zugleich!

War man 1896, da die deutschen Künstler mit
grossen Versprechungen den Mund recht voll nah-
men, so zukunftträchtig und so vergangenheitmüde,
dass man den neuen Ahnherrn gleichgültig über-
sah? War dies Schweigen ein Zeichen dafür, dass
man anfing, den Impressionismus satt zu bekommen?
Oder misstraute die schreibende Zunft in stummem
Protest gegen Lichtwarks Propaganda dem neu pro-
klamierten Hamburger Meister? — Vielleicht wirkte
dies und jenes zusammen; vielleicht hatte auch noch
ein dummer Zufall die Hand im Spiel, eine Ver-
kettung von äusseren Umständen, welche die Ver-
breitung des Buches erschwerte.

Eines freilich bleibt in solchen Fällen immer
noch zu bedenken: dass der Deutsche — dem Frem-
den ewig ein Rätsel — so schwer ergründbar ist,
dass er bisweilen sich selber und seinesgleichen

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