Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 15.1917

DOI Heft:
Heft 8
DOI Artikel:
Mahlberg, Paul: Über Kunstakademien: ein Brief von Peter Cornelius
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4744#0387

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
ÜBER KUNSTAKADEMIEN

EIN BRIEF VON PETER CORNELIUS
MITGETEILT

VON

PAUL MAHLBERG

Nach langem Hin und Her ist Peter Cornelius am
16. September 1819 als Direktor an die in seiner
Vaterstadt Düsseldorf neu gegründete Kunstakademie
berufen worden. Am 6. Juni 1820 hat er dann jenes Pro-
gramm entworfen, das mit den schönen Worten beginnt:
„Die Erziehung zum Künstler ist der zum Menschen
auch darin sehr ähnlich . . .". Die Vorgeschichte dieser
Berufung ist interessant genug, um gerade jetzt in Er-
innerung gerufen zu werden. In der Schrift von Ernst
Förster: „Peter von Cornelius, ein Gedenkbuch", Berlin
1 874, wird ein Brief von Cornelius an den Kronprinzen
von Bayern aus dem Jahre 1813 mitgeteilt, worin es
heisst: „Darauf verlangte das (preussische) Ministerium,
dass ich von meiner Seite den Zeitraum angeben möge,
welchen die Vollendung dieses Unternehmens (Fresken
der Münchener Glyptothek) bedürfe. Ich ermangelte
nicht . . . und fügte die gerade und offene Erklärung

hinzu, dass ich auch nach Vollendung dieses Werkes
mich unmöglich dazu verstehen könnte, im Sinne der
gewöhnlichen Akademien ... zu arbeiten. Auf diese
freimüthige Erklärung erfolgte von Seiten der Preussi-
schen Regierung eine höchst merkwürdige Verfügung,
die in der Geschichte der Kunst, wenigstens der deut-
schen, ein seltenes Aktenstück sein möchte." Dieses
Aktenstück ist auf Seite 484 des oben genannten Buches
abgedruckt. Das Ministerium erklärt darin, dass es
Cornelius „sowohl in Bezug auf die jetzt obwaltenden
Verhältnisse ganz freie Hand gebe, als auch in allen
Absichten für die Zukunft mit ihm übereinstimmen und
zu allem förderlich sein wolle." Angesichts der Erklä-
rung von Cornelius will diese Antwort wirklich etwas
besagen und der Künstler nennt sie mit Recht ein „sel-
tenes Aktenstück". Die Erklärung von Peter Cornelius
aber lautet folgendermassen.

•&

An das
hohe Königl. Ministerium der geistlichen,
Unterrichts- u. Medizinal-Angelegenheiten.
Auf die Verfügung des hohen Ministeriums vom
i. Oktober d. J. habe ich nachstehendes ganz gehorsamst
zu erwidern:

Dass mir erstens die pflichtmässige Sorge des hohen
Ministeriums allerdings begreiflich ist, indem von mei-
ner Seite etwas verlangt wird, was in dieser Sache dem
Herkömmlichen widerstrebt, und mit den gewöhnlichen
Begriffen eines sogenannten Akademie-Direktors im
Widerspruche steht; ich würde mich auch darüber wei-
ter nicht wundern, dass eine höchste Behörde Bedenken
trägt, eine ganz ungewöhnliche Sache zu bewilligen,
wenn nicht von vorn herein diese Lizenz als Conditio
sine qua non meinerSeits wäre verlangt und von Seiten
des Staats im Ganzen bewilligt worden wäre*; ja es waren
sogar viele der bedeutendsten Staats-Männer (nachdem
ich meine Cartons in Berlin ausgestellt hatte) mit mir
darin einverstanden, dass dieser scheinbare Nachtheil
gerade dasjenige wäre, was die Anstalt fördern würde,
wie es sich denn auch jetzt bewährt, welches ich unten
darthun werde.

* Dass nämlich Cornelius vier Sommermonate in München
zubringen dürfe, um dort in der Glyptothek zu arbeiten.

Selbst in einer Akademie geboren und aufgewachsen,*
hatte ich Gelegenheit, das unzulängliche, ja verkehrte
Treiben kennen und hassen zu lernen, ein brennender
Durst nach dem lebendigen Quell der Kunst Hess mir
keine Ruhe, und Gott gab mir die Kraft, mitten in
einem mir verhassten Treiben, unter den ungünstigsten
Verhältnissen, unablässlich darnach zu suchen. —■ Ein
freundliches Geschick führte mich nach Italien, und
erkannte dort schnell (was ich früher geahndet) den
tiefern, inneren Zusammenhang der Kunst mit allem
was das Menschenleben bedeutend macht, in allen sei-
nen Beziehungen historisch hervorgetreten. Von da an
wusste ich, was ich fürs ganze Leben zu thun hatte,
und zur Zeit habe ich's noch nicht vergessen, daher halte
ich's für Pflicht zu erklären, dass ich das gewöhnliche
Akademie-Diregieren für leeres Strohdräschen halte;
dieses erkannte David und errichtete neben der reich
dotierten Königlichen Akademie in Paris eine Maler-
schule (freilich im Sinne der Franzosen)** und von da an
war die Königliche Akademie von Talenten entblöst.
Von Carstens bis auf uns war bei den Begabtesten und
Redlichgesinntesten, darin die grösste Übereinstim-
mung.

* Sein Vater war Akademie-Inspektor in Düsseldorf.
** Das heisst mit festen Klassenstunden u. s. w.

3^3
 
Annotationen