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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 15.1917

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Heft 3
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Elias, Julius: Lesser Ury
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https://doi.org/10.11588/diglit.4744#0155

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zurück; aber diese Lage passte ihm
auch wieder nicht: er brauchte die
Menschen, und redete sich doch stünd-
lich ein, dass er sie fürchten müsse. Was
er hervorbrachte, die biblische Monu-
mentalmalerei und die landschaftliche
„Farbenpoesie", war eine Art Zwangs-
produkt, waren Ausflüchte eines
Künstlers, der mit sich selbst grosses
Mitleid hatte. Immerhin hätte die
Berliner Sezession, als sie nach heftigen
Wehen nun endlich begründet war,
an diesem Künstler, der an einem wich-
tigen Punkte für ihre Gesinnung Star-
kes geleistet hatte, nicht vorüber-
gehen dürfen. Man nennt das wohl:
die Sache über die Person stellen.
„Was ist die grö'sste Himmelsfreud?
Ein einziger Sünder, der bereut."
Trotz aller lyrischen Weichheit und
Wehleidigkeit hat ja doch Ury auch
nach 189J manches gemalt, das zum
besten deutschen Pleinair gehört. Die
Annäherung ist spät gekommen; aber
nicht zu spät. Es liegen vor Ury noch
schöne Jahre, in denen er aufs neue
stille, starke Werke nicht in der Art,
wohl aber im Sinne seiner Frühzeit
schaffen kann. Den äusseren Erfolg
hat er ja nun, und damit hat er wie-
der das Recht auf Einsamkeit und
Alleinsamkeit.

Zwischen Ury und dem dämoni-
schen Menzel hat eine einzige Be-
rührung stattgefunden, eine so merk-
würdige wie groteske Begegnung.
Menzel sah Ende der achtziger Jahre
Urys erste Bilder und sagte, unter
sehr wohlwollender Bewertung, zu
Fritz Gurlitt (der mir die Geschichte
selbst erzählt hat), er würde den
Maler ganz gern kennen lernen, Gur-
litt möge den Ury zu ihm schicken.
Der junge Mensch, stolz, das Lob
eines Menzel geerntet zu haben, eilt voll schweifen-
der Hoffnungen in die Sigismundstrasse. Der Alte aber
empfängt den Jungen zwischen Thür und Angel, und
macht ihn auf die kläglichste Art herunter; hagelnd geht
eine wilde Leporelloliste der Verfehlungen auf Ury
nieder. Ohne zu Worte gekommen zu sein, rannte Ury
die Treppen hinab und rettete sich ins Freie. Die plötz-
liche und intensive Erinnerung an die aufgedeckten
Schwächen schnitt Menzel jedes warme Wörtchen für
die Vorzüge ab, für das Talent, das er erkannt hatte,
von dem er überzeugt gewesen war.

Die Schwächen konstruktiver Gestaltungsfähigkeit

LESSER URY, IM CAFE
AUSGESTELLT IN DER BERLINER SEZESSION

in jenem älteren, in sich fertigen Werke Urys vermag
auch ein geringerer als Menzel zu erkennen. Darauf
kam es nicht an. Das Bedeutsame war, dass damals ein
junger,von Akademien undLehrmeinungen unabhängiger
Maler seinen eigenen Weg farbiger Naturanschauung
ging, einen Weg, der breit und gediegen in den Zeit-
geist mündete. Liebermann war der Bahnbrecher ge-
wesen; die meisten von denen, die ihm nachzogen
nach Frankreich, Holland, Belgien wurden Palettenkünst-
ler; Ury aber suchte nur die Befriedigung und Erfüllung
seiner nach Malerei drängenden Persönlichkeit. Die
Durchschnittsmoderne verstand unter Helle kreidige

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