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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 15.1917

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Heft 5
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Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.4744#0265

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und Kabbalis: verdächtig gewesen, und sein Anhängen
an die Lehren des Descartes und sein (nur vermuteter,
nie nachgewiesener) Verkehr mit Spinoza hätten die
Amsterdamer Regierung sehr verletzt — man war da-
mals, im Jahre der Pest (i 6.<?5) fromm, man verbot den
Kartesianismus und verbannte Spinoza. Das geschah
am 28. Juli 1656, genau in denselben Tagen, in
denen die Bankrotterklärung Rembrandts ausgesprochen
wurde. Coppier nimmt an, dass man Rembrandt, dem
man öffentlich nichts anhaben konnte, auf diese Weise
wirtschaftlich zugrunde richten wollte, und so erkläre
sich das merkwürdige Resultat seiner Auktion. Soweit
Coppier.

Wenn auch seine Voraussetzungen nicht ohne wei-
teres zutreffen, wenn besonders seine Kenntnis der
Bilderpreise nur lückenhaft ist (wir wissen zum Beispiel,
dass in der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre seine
Preise heftig nachliessen) und wenn man die allgemeine
wirtschaftliche Depression, die nach dem westfälischen
Frieden mindestens ein Jahrzehnt anhielt, doch in An-
schlag bringen muss für den schlechten Ausgang seiner
Auktion von 1656, so verdienen diese Hinweise den-
noch Beachtung. Es ist immerhin möglich, dass die
auffallenden Dinge, von denen Coppier berichtet, an
seinem Zusammenbruch mitgewirkt haben. E. W.

Wilhelm Jacobsohn, dessen Selbstbildnis wir hier
bringen, ist, zweiundzwanzig Jahr alt, vor dem Feind im
Osten gefallen. Er ist eine starke Hoffnung aus der
Schule Lovis Corinths gewesen, dessen Unterweisung er
drei Jahre lang im Atelier Levin-Funckes treu gesucht
hat. Ein Pariser Aufenthalt war für den Winter 1914
beabsichtigt; dies sollte die Freiheit werden. Aber der
Krieg wurde dieser festen, stillen, demütig begeisterten
kleinen Persönlichkeit, der auch Max Liebermann seinen
Segen ins Ungewisse der Malerlauf bahn nicht vorent-
halten hatte, die Freiheit. Eine Reihe von einleuchten-
den Bildern und Studien im Geist der impressionistischen
Nachepoche ist von ihm übrig: Motive aus Berlin, aus
der Berliner Bannmeile, aus derMark, vom Ostseestrand,
und Porträts der nächsten Angehörigen und Freunde —
vor allem aber eine Fülle von Zeichnungen, Krokis und
Skizzen: sie enthüllen eine Malerlust von reizender
Frische und zeigen einenunermüdlichenBerlinerjungen,
der naiv von Eindruck zu Eindruck flog und mit lebhafter
Sicherheit den wechselvollen Charakter der alten Stadt,
wo er geboren wurde, und der neuen Stadt, wo er zigeu-
nernd hauste, und die Menschenbewegung für sich
selbst hinschrieb. J. E.

WALDEMAR RÖSLER f

Die Leser von „Kunst und Künstler" erinnern sich
der Feldpostbriefe, die Waldemar Rösler uns in
den Jahren 1 9 14 und 1 9 I 5 von der belgischen und franzö-
sischen Front geschrieben hat und die hier veröffentlicht
worden sind. Es waren Briefe eines guten Soldaten,
aber auch eines Künstlers, der schwer darunter gelitten
hat, dass er aus der ihn ganz erfüllenden Arbeit heraus-
gerissen worden ist, der es bitter empfand, dass seine
schön ausschreitende Entwicklung jäh unterbrochen
wurde und der jederzeit den menschlichen Mut gehabt
hat, phrasenlos auszusprechen, was er fühlte und dachte.
Diese Briefe waren begleitet vonflüchtigenZeichnungen,
worin das lyrische Temperament Röslers schön zum
Ausdruck kam und in denen sich mit einfacher Selbst-
verständlichkeit offenbarte, dass äussere Geschehnisse
die Eigenart eines rechten Künstlers nicht umzuwandeln
vermögen. Heute stehen diese Zeichnungen und Briefe
da wie ein Nekrolog, den der junge Meister sich selber
geschrieben hat. Auch Rösler ist dem Krieg erlegen;
und mit ihm ist eine der schönsten Hoffnungen unserer
deutschen Kunst zu Grabe getragen worden. Seine
Begabung was so frisch, rein und zeirgemäss, dass er
wie von selbst, ohne sich ehrgeizig vorzudrängen, eine
ganze Generation deutscher Maler repräsentierte. Der

Krieg hat die deutsche Kunst schon viel gekostet. Unter
den Verlusten aber, die man erkennen kann, weil die
Persönlichkeiten bekannt sind, ist der Tod Röslers einer
der schwersten. In den Jahrgängen dieser Zeitschrift
ist es vermerkt, was Rösler war uud in welcher Weise
er seine Sendung aufgefassc hat. Darum braucht heute
nichts Biographisches mehr gegeben zu werden; es ge-
nügt, wenn die Freunde seiner untadelhaften Persönlich-
keit und seiner so bedeutend ansetzenden Lebensarbeit
ihm einen Gruss nachrufen, einenGruss vollerSympathie
und Dankbarkeit. Das Vaterland hat diesem Mann
doppelt zu danken: einmal dem Soldaten, der sich tapfer
das Kreuz erworben hat und durch seine Tüchtigkeit
zum Offizier avanziert ist, und sodann dem Künstler,
der, während er freudig für sich arbeitete, der Allge-
meinheit in wenigen Jugendjahren schon Werke ge-
schenkt hat, die in den deutschen Museen moderner
Kunst historischen Wert erlangen werden. In seinen
hellen, lichterfüllten farbenreichen Bildern spiegelte sich
aufs schönste der romantische Wirklichkeitssinn und
das dichterisch erregte Menschentum Röslers ab; diese
Bilder werden fort und fort von einem starken Talent
zeugen, das Menschlich unendlich liebenswert war.

Karl Scheffler.

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