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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 15.1917

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Heft 6
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Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.4744#0306

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Frühzeit und auch später noch, ist reizvoll und an-
heimelnd. Keine Persönlichkeit, doch" ein liebenswür-
diges Naturell. Als Karlsruher Lehrer hat Schönleber
mit seinem Schwager Baisch bescheiden die gute Tra-
dition der Münchener Stimmungslandschaft aufrecht
erhalten und in Volkmann, Kampmann, Vinnen weiter-
gebildet. Als man ihm 1912 eine Geburtstagsausstellung

in Karlsruhe aufnötigte, Hess er seinem Lehrer Lier
und seinen Schülern in besonderen Kabinetten den Vor-
tritt. Ein feiner Zug ... Und 1879, auf jener Münchener
Ausstellung, wo Liebermanns „Christus im Tempel" so
viel Sturm erregte, trat er als Mitglied der Aufnahme-
jury für den Berliner Maler sehr heftig ein. Ein
starker Zug. Tulius Elias-

EIN NEUER DÜRER

Mit einiger Regelmässigkeit liest man in den Tages-
blättern von Bilderentdeckungen. Bald ists ein
RafFael, bald ein Rembrandt. Der Zeitungsleser ist daran
gewöhnt, dass Ereignisse, mit denen er in eine ge-
mässigte Erregung versetzt wird, gänzlich ohne Folgen
bleiben. Der Zeitungsschreiber kommt ungern auf eine
seit gestern bekannte, also veraltete, Angelegenheit zu-
rück, ergänzt, korrigiert oder widerruft nie eine Notiz
ohne dringenden Anlass, so dass dem Publikum eine
angenehme und vage Vorstellung von Glücksfällen
erhalten bleibt. Naive Leute, die weder zum Sehen
geboren, noch zum Schauen bestellt sind, begeben sich,
so angeregt, auf die Jagd.

Geht man den Zeitungsnachrichten auf den Grund,
so stösst man zumeist auf Irrtum in der Hauptsache,
oder doch auf Fehler in Nebendingen, und oft beziehen
sich mehrere Nachrichten auf eine Sache. Kurz, die
Zahl der Funde schrumpft zusammen. Was Rembrandt
betrifFt, taucht allerdings fast Monat für Monat etwas
Echtes auf. Diese Quelle scheint unerschöpflich zu
sein.

Neulich war etwas von einem „neuen" Dürer zu
lesen, und diese Kunde war merkwürdigerweise zu-
treffend, obwohl unwahrscheinlich im höchsten Grade,
zumal da das eifrige Suchen nach Dürers Gemälden schon
im sechzehnten Jahrhundert begonnen und nie ganz aus-
gesetzt hat.

Noch vor dem Krieg ist in Lissabon eine „heilige
Familie" von Dürers Hand zum Vorschein gekommen,
eine Tafel von bescheidenem Mass, einunddreissig
Zentimeter hoch, achtunddreissig Zentimeter breit.
Ein deutscher Kunsthändler brachte das Bild in seinen
Besitz, und kürzlich ist es Eigentum eines Berliner
Sammlers, des Herrn Dr. Paul v. Schwabach, geworden.

Auf dunkelm Grunde dicht beieinander die Köpfe
Marias, des Christkindes und Josephs, scheinbar kunst-
los zusammengerückt. Das mit Feinheit und Schärfe
durchgebildete Werk ist durch eine monumentale In-
schrift ausgezeichnet, wie sie Dürer seinen wenigen
grossen Altarwerken beigegeben hat, nämlich unter
dem bekannten Monogramm durch die Worte:
Albertus Dürer
Norenbergensis
Faciebat post

Virginis partum
1509

Als Dürer sich 1520 und 1521 in Antwerpen auf-
hielt, verkehrte er freundschaftlichmitzweiPortugiesen,
und der Gedanke liegt nahe, dass einer von ihnen, Rodrigo
Fernandez, der Faktor der portugiesischen Nation, (sein
Landsmann hiess Francisco Brandan) das Bild nach Por-
tugal gebracht habe. Ein Hieronymus-Bild, mit dem
Datum 1521, das Dürer in Antwerpen gemalt und dem
Rodrigo geschenkt hat, was wir aus des Meisters Tage-
buche wissen, hat dieser Portugiese gewiss mit in seine
Heimat genommen, wo es schliesslich in das Museum
vonLissabon gelangt ist. Angeblich stammt unsre,,heilige
Familie" aus demselben Besitz wie der „Hieronymus".

Der Kunsthandel hatte in den letzten beiden Jahr-
zehnten ganz wenig Gelegenheit, sich mit Dürer-Bildern
zu befassen. Drei Gemälde des Meisters, die sich im eng-
lichen Privatbesitze fanden, brachte Bode in das Berliner
Museum. Doch das liegt schon längere Zeit zurück.
Der Besitzwechsel in jüngerer Zeit hat drei Dürer-Bilder
dem amerikanischen Kunstbesitz zugeführt, jene „Anna
selbdritt" von 1 y 18, die einst blamabel aus bayerischem
Staatsbesitz verschleudert, dann in Odessa versteckt,
schliesslich in die Altman-Sammlung zu New York
und mit ihr in das Metropolitan Museum gekommen
ist, dann eine unbedeutende „Madonna" von 1 5 16, die
Friedrich Lippmann in Berlin besessen hat und die jetzt
mit P. Morgans reichen Beständen in demselbenMuseum
ausgestellt ist, endlich ein Männerporträt vonijn,
das Mrs. Gardner in Boston an sich gebracht hat. Die
„Madonna" und das Porträt, das 1902 in der Winter-
Ausstellung der Londoner Akademie auftauchte im
Besitz eines J. T Dobie Esq., sind wenigen deutschen
Kunstkennern vor Augen gekommen und gelegentlich
nach Abbildungen bezweifelt worden. Beide Bilder sind
nicht tadellos erhalten, aber, wie ich glaube, echt, das
Porträt sogar bedeutend. Die „Anna selbdritt" ist voll-
kommen erhalten, und, wenn auch übermässig plastisch
und etwas erstarrt, ein Monument von hohem Range,
dessen Auswanderung aus Deutschland bedauerlich ist.
Um so erfreulicher wird die Nachricht wirken, dass der
deutsche Privatbesitz, in dem überhaupt kein Gemälde
Dürers mehr bekannt war, aus Portugal so unerwartet
bereichert worden ist. M. J. F.

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