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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 15.1917

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Heft 7
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Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.4744#0368

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Ernst Ludwig-Galerie für Deutsche Kunst in Darm-
stadt angeregt (wenn möglich in den Räumen des Residenz-
schlosses, die 1914 die Jahrhundert-Ausstellung beherbergten)
und dieser Gedanke hatte die Kunstfreudigkeit des Gross-
herzogs besonders ergriffen, weil daran gedacht war, die Galerie
unabhängig von Kommissionen oder dem Geschmack eines
Einzelnen aus den freiwilligen Beiträgen der berufenen deut-
schen Künstler als ein ewiges Dokument unserer Zeit zu ge-
stalten. Die Ernst Ludwig-Galerie sollte ein Tempel sein, in
dem sich der deutsche Künstler von Ruf (Werdende und Voll-
ender) für alle Zeiten verewigen würde.

Heute soll der Plan zur Tat reifen. Die deutsche Künst-
lerschaft wird sich an dem Tage des Jubiläums zu jener
Ehrung zusammenfinden, die der Ernst Ludwig-Galerie zum
Leben verhilft. Ein jeder der Berufenen spende für die Zwecke
der Galerie einen Beitrag, der ihn und seine Kunst würdig
repräsentiert. Diese Künstler-Jubiläums-Spende zur Begrün-
dung einer Ernst Ludwig-Galerie wird Ausdruck des Dankes
der führenden deutschen Persönlichkeiten sein für all das,
was Grossherzog Ernst Ludwig der deutschen Kultur während
seiner Regierungszeit vor dem Kriege gegeben hat. Sie wird
zugleich ein Zeichen des Vertrauens sein, das hoffnungsfroh
und stark an eine deutsche Zukunft glaubt.

Ich hoffe in der Annahme nicht fehl zu gehen, dass die
hier gegebene Anregung die Zustimmung von Euer Hochwohl-
geboren hat und weit über die Kreise des Rheinlandes hinaus
auch sonst bei den führenden Künstlern aller Richtungen tat-
kräftige Förderung rindet . . . ."

Ein vorgedruckter Revers, dass der eingeladene
Künstler dem Aufruf gern gefolgtseiunddenGrossherzog
beglückwünsche, lag zur gefälligen Benutzung bei.

Der Grossherzog von Hessen meint es gut, aber er
hat Unglück mit seinen Künstlern und Kunstberatern.
Vor allem in den letzten Jahren. Er mag ausrufen:
Gott, bewahre mich vor meinen Freunden! In Wahr-
heit steht es so, dass kein rechter Kunstfreund gern
von dem Darmstädter Kunsttreiben hört. Biermanns
Schreiben sagt schon insofern Falsches, als die deutschen
Künstler, mit Ausnahme vielleicht der direkt Geför-
derten, keineswegs Ursache haben, dem Grossherzog
dankbar zu sein. Diese Wendung von der Dankbarkeit
mutet wie ein unzulässiger Druck an.

Der Satz, die Galerie solle unabhängig von Kom-
missionen und von dem Geschmack eines Einzelnen
aus freiwilligen Beiträgen der Künstler entstehen, ist
im Munde des künftigen Generaldirektors der Kölner
Museen eine hübsche kleine Charakterlosigkeit. Um-
somehr als er doch die Künstler ausgesucht und zum
Schenken eingeladen, das heisst, die Galerie auch so
von dem (schlechten) „Geschmack eines Einzelnen" ab-
hängig gemacht hat. Biermann muss wissen — er weiss
es auch — dass eine zusammengeschenkte Sammlung
schlecht werden muss und alles andere als vorbildlich
sein würde. Man sammelt für eine öffentliche Galerie
ja nicht Künstlernamen, sondern Kunstwerke, erwirbt
nicht das Zufällige, das den Künstlern entbehrlich
Scheinende, sondern sucht mit Mühe die besten Arbei-
ten zu erlangen. Biermann fühlt auch offenbar die
Phrase; er macht darum noch mehr Phrasen und spricht
von einem „ewigen Dokument", von einem „Tempel".
Mit Speck fängt man Mäuse.

Dieses Mal war der Kluge nicht klug genug. Die
Spekulation auf den Byzantinismus der Künstler hat

nicht Erfolg gehabt, sie erregte vielmehr berechtigte
Entrüstung. Der Effekt war so peinlich, dass der über-
eifrige Beirat, der sogar die Frau Grossherzogin mit in
sein Spiel gezogen hatte, desavouiert werden musste.
Der Grossherzog verweigerte die Annahme, sandte die
eingegangenen Werke zurück und trennte sich von
Biermann. Die Künstler der Freien Sezession und
des Verbandes bildender Künstler haben in einem
offenen Brief protestiert; sie hatten den Eindruck, als
solle ihr Idealismus dem Ehrgeiz eines streberhaften
Mannes dienen und als würde der Name des Gross-
herzogs missbraucht, um eine Pression auszuüben. Sie
fühlten sich mit Recht beleidigt durch die Zumutung
und durch die dreiste Form. Das Rundschreiben Bier-
manns, als „Grossherzogliche Angelegenheit''- versandt,
streift den Amtsmissbrauch.

Frage: Wie lange soll dieser Herr Georg Biermann
eigentlich noch das deutsche Kunstleben mit seinen
Streichen beunruhigen? Antwort: Figaro ist unsterblich.

K. Seh.

DAS KUNSTBLATT

So lautet der Titel einer soeben im Verlage von Gustav
Kiepenheuer in Weimar erschienen Zeitschrift, die die
Förderung der neuesten Kunst auf ihr Panier geschrieben
hat — jener Kunst, die Nolde und Munch unter ihre Be-
gründer rechnet, rüstige Ahnen von einigen fünfzig
Jahren, die heute schon zu dem Range von Altmeistern
aufgerückt sind. Das Programm der Zeitschrift ist vor-
trefflich, und vortrefflich ist auch der Aufsatz Gustav
Schief lers über Munch, der als ragender Pfeiler und Stütze
inmitten des ersten Heftes steht. Was aber der Heraus-
geber um diesen Schief lerschenPfeiler herumgebaut hat,
erscheint leider als wenig geeignet, der neuen Kunst
unter der Masse des Publikums weitere Freunde zu
werben. Am Eingange steht ein von Schmockbrillanten
funkelnder Aufsatz des Herrn Schriftleiters, der den
Künstler der neuen Zeit begeistert feiert, während er
dem Vertreter der jüngst vergangenen Zeit, dem Im-
pressionisten, allerlei Unfreundliches nachsagt. Man
höre nur: „Ruhelos, unstet und flüchtig, wie der sich
selbst verlorene Kain durchraste er die Welt des Selbst-
betrugs, lüstern nach den Gaukelbildern der Sinne,
lechzend nach lockerem (?) Augenschmaus, brünstig
nach dem Niefassbaren, dem von Sekunde zu Sekunde
entschwebenden Kaleidoskopgeflimmer einer eingebil-
deten Wirklichkeit....." Im weiteren Verlauf des

Heftes findet sich der befremdliche, aber doch nicht
ganz neue Einfall, Zitate aus den Schriften grosser
Künstler der Vergangenheit für die Charakteristik mo-
derner Meister zu verwenden. In Versen Hölderlins
soll Munch umschrieben werden, durch Heine soll Otto
Hettner charakterisiert werden und durch Delacroix

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