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eigentlichen Sinn, also Lehrknaben oder Gesellen
gewesen seien und sich 1505, als ihr Meister nach
Oberitalien aufbrach und seine Werkstatt schloss,
auf eigene Hand in Nürnberg zu bethätigen be-
gonnen hätten.
1509 schon erwirbt Baidung das Bürgerrecht
in Strassburg. Wie lange vor diesem Termin er
dorthin gekommen sei, lässt sich nicht feststellen.
Man könnte wagen, die Beziehungen Baidungs zu
Dürer aus einer älteren Begegnung zu erklären, da
ja der Nürnberger schon 1493 als wandernder
Geselle in Strassburg gewesen ist. Solange wir aber
die Thätigkeit Baidungs, dessen Geburtsjahr leider
unbekannt ist, über das Jahr 1505 nicht zurück-
verfolgen und die Holzschnitte im „beschlossen
gart" als seine Erstlinge betrachten, beginnen wir
die Bio graphie mit einer Nürnberger Lehrzeit und
nehmen, wie für Schäufelein das Geburtsjahr mit
„bald nach 1480" an.
Baidung verliess früh den Bannkreis Dürers und
arbeitete im Westen, in Freiburg und in Strassburg
bis zu seinem To d im Jahre 1 545.
Isenheim liegt nicht weit von Strassburg entfernt,
und dort stand seit 151 2 etwa jener Altar, den wir
als das Hauptwerk Grünewalds in höchsten Ehren
halten. Die Kunstforscher arbeiten gern mit geo-
graphischen Begriffen, sie lieben es, von fränkischer
und schwäbischer Kunst zu sprechen und die Kunst-
weisen als landschaftliche Dialekte aufzufassen. Dürer
ist ihnen ein Franke, Baidung ein Rheinschwabe,
Grünewald wird manchmal ebenfalls als Rhein-
schwabe, zuweilen auch als Franke vom Mittelrhein
betrachtet. Wie dem auch sei, das Ergebnis solcher
Eingliederung bleibt unbefriedigend. Dürer und
Baidung sind im Wesentlichen ihres Strebens gleich
gerichtet, während Grünewald weit ab und einsam
für sich steht. Dagegen ist nicht anzukommen mit
dem Nachweise, dass der Strassburger denlsenheimer
Altar gekannt und ein Bildmotiv daraus übernommen
habe. Anregungen dieser Art berühren den Kern nicht.
Das unsichere Urteil über Baidung, das man in
der kunsthistorischen Literatur findet, kontrastiert
gern das „Malerische" oder „Koloristische" in des
Strassburgers Schöpfungen mit dem „Zeichneri-
schen" in Dürers Werk — in einer beklagenswert
unsauberen Terminologie. Baidungs Kunst im
Ganzen und Grossen ist nicht minder zeichnerisch
als Dürers Kunst. Man darf einige Bilder, wie die
Glasmalereien, die er geschaffen hat, schönfarbig
nennen, aber kaum koloristisch und noch weniger
malerisch. In seiner glücklichsten Zeit — das ist
um 151z — hat er hin und wieder eine blonde
und goldene Farbigkeit, die verlockt, ihn einen
Maler im engeren Sinne zu nennen. Der Auftrag in
diesen Gemälden ist flüssig, und das Licht spielt
und gleitet über die Formen. Aber die Körpergrenzen
bleiben immer deutlich, und — was wichtiger
ist — die Konzeption geht von den plastischen
Figureneinheiten aus, niemals von einer Gesamt-
erscheinung, die Figuren und Raum zugleich um-
fasste. In späteren Bildern wirkt übrigens die Farbe
dumpfer und schwerer, und die Form wird minder
leicht überrieselt von dem farbigen Schein.
Von Dürer und Holbein abgesehen, besitzen
wir von keinem deutschen Maler jener Tage so viele
Zeichnungen wie von Hans Baidung. Die leider
ohne scharfes Urteil redigierte Publikation G. von
Tereys bietet einen unvollkommenen Überblick über
den Bestand. Bei der Naturaufnahme begnügt sich
der Meister mit Feststellung der Formgrenzen und
linienhafter Interpretation der Schatten in Absicht
auf Relief illusion. Der Strich ist rein und zügig
bis an die Grenze des Kalligraphischen.
Wenn Baidung sich glücklich, vielleicht am
glücklichsten, im Holzschnitt ausdrückt — kaum
etwas von dem, was er überhaupt zu sagen hat,
bleibt dabei unausgesprochen —,so wird unser Ur-
teil bestätigt. Man wende dagegen nicht ein, dass
gerade dieser Zeichner die Bereicherung des Holz-
schnittes durch Hinzun ahme einer zweiten Platte eifrig
angestrebt, nämlich den Farbenholzschnitt erfolgreich
gepflegt habe. Seine Absicht mit diesem Druck-
verfahren ging zunächst auf Klärung der Form mit
rein begrenzten Schattenflächen aus, wenngleich die
dabei billig erkauften Lichteffekte „malerisch" ge-
nannt werden können.
Baidung, der Tageshelle und dünne Gebirgs-
luft liebte, schweifte zuweilen in das Gebiet des
Hexenwesens. Eine beschränkte, auf beschränk-
tem Felde sich dreist ergehende Einbildungskraft
bildete nackte Frauen in nicht gerade schamhaften
Stellungen. Die Renaissanceneigung für das Nackte
äussert sich hier unter dem Deckmantel abergläu-
bischer Vorstellungen. Vielleicht suchte der Meister
mit List zugleich den Kindern der Welt und den
Frommen zu gefallen. Die bedenklichen Frauen
sind wohlgestaltet und selbst von edeler Bildung,
ihre Hexenhaftigkeit drückt sich zumeist in abson-
derlichen Bewegungen und in fremdartigem Ge-
bahren aus.
Die Nacht oder doch unwirkliches Licht war
diesen gefährlichen Vorstellungen natürlich, eine
35*
eigentlichen Sinn, also Lehrknaben oder Gesellen
gewesen seien und sich 1505, als ihr Meister nach
Oberitalien aufbrach und seine Werkstatt schloss,
auf eigene Hand in Nürnberg zu bethätigen be-
gonnen hätten.
1509 schon erwirbt Baidung das Bürgerrecht
in Strassburg. Wie lange vor diesem Termin er
dorthin gekommen sei, lässt sich nicht feststellen.
Man könnte wagen, die Beziehungen Baidungs zu
Dürer aus einer älteren Begegnung zu erklären, da
ja der Nürnberger schon 1493 als wandernder
Geselle in Strassburg gewesen ist. Solange wir aber
die Thätigkeit Baidungs, dessen Geburtsjahr leider
unbekannt ist, über das Jahr 1505 nicht zurück-
verfolgen und die Holzschnitte im „beschlossen
gart" als seine Erstlinge betrachten, beginnen wir
die Bio graphie mit einer Nürnberger Lehrzeit und
nehmen, wie für Schäufelein das Geburtsjahr mit
„bald nach 1480" an.
Baidung verliess früh den Bannkreis Dürers und
arbeitete im Westen, in Freiburg und in Strassburg
bis zu seinem To d im Jahre 1 545.
Isenheim liegt nicht weit von Strassburg entfernt,
und dort stand seit 151 2 etwa jener Altar, den wir
als das Hauptwerk Grünewalds in höchsten Ehren
halten. Die Kunstforscher arbeiten gern mit geo-
graphischen Begriffen, sie lieben es, von fränkischer
und schwäbischer Kunst zu sprechen und die Kunst-
weisen als landschaftliche Dialekte aufzufassen. Dürer
ist ihnen ein Franke, Baidung ein Rheinschwabe,
Grünewald wird manchmal ebenfalls als Rhein-
schwabe, zuweilen auch als Franke vom Mittelrhein
betrachtet. Wie dem auch sei, das Ergebnis solcher
Eingliederung bleibt unbefriedigend. Dürer und
Baidung sind im Wesentlichen ihres Strebens gleich
gerichtet, während Grünewald weit ab und einsam
für sich steht. Dagegen ist nicht anzukommen mit
dem Nachweise, dass der Strassburger denlsenheimer
Altar gekannt und ein Bildmotiv daraus übernommen
habe. Anregungen dieser Art berühren den Kern nicht.
Das unsichere Urteil über Baidung, das man in
der kunsthistorischen Literatur findet, kontrastiert
gern das „Malerische" oder „Koloristische" in des
Strassburgers Schöpfungen mit dem „Zeichneri-
schen" in Dürers Werk — in einer beklagenswert
unsauberen Terminologie. Baidungs Kunst im
Ganzen und Grossen ist nicht minder zeichnerisch
als Dürers Kunst. Man darf einige Bilder, wie die
Glasmalereien, die er geschaffen hat, schönfarbig
nennen, aber kaum koloristisch und noch weniger
malerisch. In seiner glücklichsten Zeit — das ist
um 151z — hat er hin und wieder eine blonde
und goldene Farbigkeit, die verlockt, ihn einen
Maler im engeren Sinne zu nennen. Der Auftrag in
diesen Gemälden ist flüssig, und das Licht spielt
und gleitet über die Formen. Aber die Körpergrenzen
bleiben immer deutlich, und — was wichtiger
ist — die Konzeption geht von den plastischen
Figureneinheiten aus, niemals von einer Gesamt-
erscheinung, die Figuren und Raum zugleich um-
fasste. In späteren Bildern wirkt übrigens die Farbe
dumpfer und schwerer, und die Form wird minder
leicht überrieselt von dem farbigen Schein.
Von Dürer und Holbein abgesehen, besitzen
wir von keinem deutschen Maler jener Tage so viele
Zeichnungen wie von Hans Baidung. Die leider
ohne scharfes Urteil redigierte Publikation G. von
Tereys bietet einen unvollkommenen Überblick über
den Bestand. Bei der Naturaufnahme begnügt sich
der Meister mit Feststellung der Formgrenzen und
linienhafter Interpretation der Schatten in Absicht
auf Relief illusion. Der Strich ist rein und zügig
bis an die Grenze des Kalligraphischen.
Wenn Baidung sich glücklich, vielleicht am
glücklichsten, im Holzschnitt ausdrückt — kaum
etwas von dem, was er überhaupt zu sagen hat,
bleibt dabei unausgesprochen —,so wird unser Ur-
teil bestätigt. Man wende dagegen nicht ein, dass
gerade dieser Zeichner die Bereicherung des Holz-
schnittes durch Hinzun ahme einer zweiten Platte eifrig
angestrebt, nämlich den Farbenholzschnitt erfolgreich
gepflegt habe. Seine Absicht mit diesem Druck-
verfahren ging zunächst auf Klärung der Form mit
rein begrenzten Schattenflächen aus, wenngleich die
dabei billig erkauften Lichteffekte „malerisch" ge-
nannt werden können.
Baidung, der Tageshelle und dünne Gebirgs-
luft liebte, schweifte zuweilen in das Gebiet des
Hexenwesens. Eine beschränkte, auf beschränk-
tem Felde sich dreist ergehende Einbildungskraft
bildete nackte Frauen in nicht gerade schamhaften
Stellungen. Die Renaissanceneigung für das Nackte
äussert sich hier unter dem Deckmantel abergläu-
bischer Vorstellungen. Vielleicht suchte der Meister
mit List zugleich den Kindern der Welt und den
Frommen zu gefallen. Die bedenklichen Frauen
sind wohlgestaltet und selbst von edeler Bildung,
ihre Hexenhaftigkeit drückt sich zumeist in abson-
derlichen Bewegungen und in fremdartigem Ge-
bahren aus.
Die Nacht oder doch unwirkliches Licht war
diesen gefährlichen Vorstellungen natürlich, eine
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