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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 1.1889/​90

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Michaelis, Adolf: Die älteste Kunde von der mediceischen Venus
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Frizzoni, Gustavo: Photographische Aufnahmen und neue Erwerbungen des Museo Poldi Pezzoli zu Mailand
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https://doi.org/10.11588/diglit.3772#0157

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301

Photographische Aufnahmen und neue Erwerbungen des Museo Poldi Pezzoli zu Mailand.

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erst als Dekorationsstück an einem Triumphbogen
zu begegnen, den ein römischer Prälat dem Papste
zu Ehren errichtete. Aber das hat ja in jenen Zeiten
nichts Auffälliges; auffälliger ist es, dass die gegen-
über so vielen anderen Genossinnen in der That un-
gewöhnliche Schönheit dieser Venusstatue damals
so wenig beachtet ward und höchstens in dem ver-
hältnismässig hohen Schätzungswert von 250 Du-
katen ihren Ausdruck fand. Erst in der Villa Me-
dici hat sie ihren Weltruf erworben; erst im
17. Jahrhundert begegnen wir Zeichnungen und
Stichen nach ihr, und nun suchte man ihr auch
durch eine gefälschte Künstlerinschrift einen er-
höhten Wert zu geben 1). Dass man ihr dann auch
eine Reihe berühmter Lokalitäten als Fundort zu-
wies, ist begreiflich; wir werden uns mit der Wahr-
scheinlichkeit begnügen müssen, dass Andrea della
Valle sie aus römischen Ausgrabungen erworben
haben wird 2). AD. MICHAELIS.

PHOTOGRAPHISCHE AUFNAHMEN UND

NEUE ERWERBUNGEN DES MUSEO POLDI

PEZZOLI ZU MAILAND.

Vor mehreren Jahren (1881) hat sich die Zeit-
schrift mit der Gründung des Museo Poldi-Pezzoli
beschäftigt und dessen Hauptbestandteile in einem
besondern Artikel gewürdigt. Bekanntlich handelt
es sich um ein Privatvermächtnis, welches zwar keine
monumentalem Kunstwerke umfasst, wohl aber die
Wahl einer grossen Zahl derselben als eine durchaus
glückliche und geschmackvolle erscheinen lässt.

Vor kurzem ist die Direktion des Museums
einem natürlichen Wunsche der Kunstfreunde inso-
fern entgegen gekommen, als sie dafür gesorgt hat,
dass die Hauptgegenstände der Sammlung in photo-
graphischen Aufnahmen vervielfältigt wurden, und
zwar auf eine so befriedigende Weise, wie man sie
sich kaum besser wünschen könnte. Die Blätter
der Firma C. Marcozzi, die uns vorliegen, sind von
einer Klarheit und einer Bestimmtheit, wie sie über-
haupt nur von den allerbesten Photographen bis
jetzt erreicht worden ist. Mit Anwendung des isochro-

1) Vgl. Archäol. Zeitung 1880, S. 15 f. Die Inschrift
ist von dem berüchtigten Fälscher Pirro Ligorio für eine
Amorherme erfunden; s. Kaibel im Hermes XX, S. 153 f.; das
älteste mir bekannte Zeugnis für ihre Verbindung mit der
Venus findet sich in John Evelyn's Diary vom 29. Nov. 1644.

2) Die Notiz von Valle's Ausgrabungen in den Agrippa-
thermen hinter dem Pantheon (bei Flaminio Vacca Notizie
N. 53) wage ich aus dem in der Archäol. Zeitung angegebenen
Grunde nicht zu verwerten; auch sagt Vacca nichts von
einer Venusstatue.

matischen Verfahrens ist es Herrn Marcozzi gelungen,
die schwierigsten Probleme zu lösen, namentlich in
der Wiedergabe der Farbenskala der Gemälde 1).

Darunter befindet sich z. B. ein kleines, sicht-
lich nachgedunkeltes Madonnenbild von Andrea Man-
tegna, welches trotz dieses TJbelstandes in der Photo-
graphie mit überraschender Reinheit gekommen ist.
Auch die kostbaren Werke von Andrea Solari mit
ihrem tiefen, gesättigten Farbentone nehmen sich
in den Abbildungen vortrefflich aus. Desgleichen
die Madonnenbilder von Luini, von Beltraffio, von
Gaudenzio Ferrari, von Boüicelli, von Perugino, von
Marietto Älbertinelli etc., sowie die Heiligenfiguren
von Bart, Montagna, u. s. w. Ein besonderer Reiz
wohnt dem kleinen Gemälde inne, dessen Komposition
dem Bilde der hl. Anna von Lionardo entlehnt ist.
Dass hier die Gestalt der Mutter Maria wegfällt,
und die Jungfrau allein mit dem Kinde und dem
Lamm erscheint, auf einem Felsen in malerischer
Landschaft sitzend, giebt eigentlich dem Ganzen eine
angenehmere Linienführung, als sie der pyramidalen
Komposition von Lionardo selbst eigen ist. — Drei
merkwürdige Porträtstücke, zwar sehr verschieden
in ihrer Art, kommen in den Photographien aufs treff-
lichste zur Geltung, nämlich das weibliche, jugend-
liche Profilbildnis, welches unter dem Namen des
Pier della Francesca verzeichnet ist, worin aber doch
manches mehr an die Gebrüder Pollaiuoli erinnert,
ferner das Brustbild eines gleichfalls im Profil dar-
gestellten älteren Mannes, dem Vincenzo Foppa zu-
geschrieben, aber wohl mit Recht neuerdings dem
eigentümlichen mailändischen Porträtmaler Ambrogio
de Predis zuerkannt2), endlich das prachtvolle Frauen-
porträt von Palma Vecchio. In letzterem, das wohl
ein Hauptstück unter den Bildnissen des Meisters
ist, kommt die üppige Karnation mit dem reichlichen
blonden Haar, dem rosigen Brokatkleide und dem
glänzenden Weisszeug auf hervorragende Weise zur
Geltung, wiewohl das Gemälde in früheren Jahren
stark renovirt worden ist.

Diesen drei Stücken Hesse sich noch ein viertes

1) Die Photographien von C. Marcozzi sind sowohl in
seinem Atelier in Mailand, Piazza Durini 7, als auch am
Eingang des Museo Poldi-Pezzoli zu haben.

2) Abgebildet sind darin die Züge des Francesco Brivio,
des Sohnes jenes Jacopo Stefano Brivio, der. in dem schönen
Renaissancedenkmal in Sant Euctorgio(I.Kap, rechts)begraben
liegt. Dies erhellt nämlich aus der Inschrift, womit der
Abgebildete in einer Kopie des Poldibildes beim heutigen
March. Giacomo Brivio folgender Weise bezeichnet ist: Equcs
Francisnis Brippius Jac. Stcph. qiiestoris filius, duc' consi-
liarius, magistratiis ord.praeses et Melegnani dorn. — anno 1514-


 
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