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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Hrsg.]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 57.1921/​1922 (Oktober-März)

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Nr. 15
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Glaser, Curt: Berliner Ausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.37098#0267

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Berliner Ausltellungen

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ling, Huth und Schwichtenberg, Radziwill und Schmid. Aber es gibt auch
manches ungereimte Zeug, das unter der Flagge der Juryfreiheit noch un-
gehemmter als in anderen Ausheilungen mitzufegeln berechtigt ilt.
Die Berliner Sezeffion zeigte zur gleichen Zeit eine ihrer üblichen Aus-
Heilungen, über die kaum etwas zu berichten wäre, wenn nicht ein paar
der neuen Bilder Corinths dort hingen. Es waren diesmal in der Haupte
fache Bildnifle, darunter das wundervoll aus dem Dunkel leuchtende Doppel-
porträt zweier Kunltfreunde. Corinth befitzt die feltene Gabe, ein Motiv
in feiner bildmäßigen Einheit zu empfinden und zu gehalten. Der Teil lebt
nur im Ganzen. Das macht den Reiz feiner beiten Radierungen, von denen
das Staatliche Kupferhichkabinett jetzt eine hattliche Reihe zu einer Aus-
heilung vereinigt hat. Es lebt eine eigene Vifion in diefer fcheinbar leichten
Niederfchrift, über das Subhrat der Realität hinaus ilt ein Erlebnisgehalt un-
mittelbar Form geworden.
Es war nicht uninterelfant, Corinths graphifches Werk mit den Zeich-
nungen Kokofchkas zu vergleichen, von denen gleichzeitig zwei größere Reihen
in dem neuen Kunfifalon von Goldfchmidt ® Wallerhein und bei Fritz
Gurlitt zur Schau gehellt waren. Denn es zeigt fich in der Anlage wie in
der Bildung ihres Talentes manche auffallende Beziehung zwifchen zwei fo
grundfätzlich verfchiedenen Perfönlichkeiten. Kokofchka ilt mit der Fähigkeit
vifionärer Bildfchöpfung begabt. Die Wirklichkeit wandelt fich ihm zum
Märchen, und für das Unwirkliche, das die Phantafie zeugt, findet er die er-
lebbare Form. Die Überrafchung der Ausheilungen waren die neuen großen
Porträtzeichnungen, in denen fich die Auffaflung des Menfchen beruhigt und
geklärt hat. Die einzelne Linie beginnt fich einer malerifchen Gefamtbildung
der Fläche Unterzuordnen. Die früher oh peinlich abfichtsvollen Züge ver-
fchwinden. Die natürliche Handfchrih tritt zutage.
Was man zuweilen vermißt, ilt eine Ordnung der Anfchauung, die dem
fcheinbaren Chaos der Motive Beckmannfcher Bilder immer den Charakter
einer künftlerifchen Ausgewogenheit mitteilt. In I. B, Neumanns Graphifchem
Kabinett war eine Reihe der Gemälde und graphifchen Arbeiten aus der
letzten Schaffenszeit Max Beckmanns ausgeltellt. Beckmann war feit den
erhen Anfängen feiner frühreifen Künltlerfchaft um den bedeutungsvollen
Gegenhand bemüht, und er hat, nicht unbeeinflußt durch den Eindruck gleich^
gerichteten Strebens Gleichaltriger, die fpäter als er ihren Weg fanden, nun
eine Form der Verdichtung des Motivs erreichr, die im Einzelbildnis wie in
der oftmals gedrängten Kompofition eine beinahe peinvolle Intenfität der
Wirkung gewährleiltet. Die neuen Gemälde Beckmanns find mit der höchlten
Sorgfalt durchgebildet. Sie find das Zeugnis ebenfo einer von dem Erlebnis
der Gegenwart, des Krieges, der Revolution hark erregten Phantafie, wie
Nr. 15. 6.1. 22.
 
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