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Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 39.1996

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Nr. 1
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Besprechungen
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Fechner, Detlef: [Rezension von: E. Oberg u. J. Wöhrmann, Ovid: Orpheus und Eurydike, Apollon und Daphne]
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Strube, Nicolaus: [Rezension von: Hans-Friedrich Bartig, Priamos im Zelt des Achilleus]
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https://doi.org/10.11588/diglit.33062#0040

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die Aktualität des Mythos in sinnvoller Weise
repräsentiert.
DETLEF FECHNER, Ernestinum Celle
Pn'awoj /??: Ze/f 4^.s A(7?;7/gM.s. Ein /tMvs(7:n;7t
OH.s' 24. Gelang von /7on?^rs //;'a,s, in 4er
Ü^er^ei^nng von IVoi/gong Jci?o4ewo/4i, on.s-
nn4 aM^ge/egi von /Von.s-Erie4rici:
ßorrig, Dieierici? T'cEe Ver/o^.s'4Mci;/?on4/M/?g
Mainz 7993 i = E.vcerpia c/o.s.sica X7V). /39
.Seiten, 3A^i/4nngen, /5BV 4-47762-043-7).
Wer sich einen neuen Zugang zu der Schönheit,
Tiefe und Vielfältigkeit der homerischen Dich-
tung erschließen möchte, sollte diese 8octg
p.tx$f) te (])tXT) TE unter den Neuerscheinungen
zum Jahresende 1995 zu Hand nehmen. Der
Hildesheimer Philosoph Hans-Friedrich Bärtig,
der seit längerem dem Grenzgebiet zwischen
Philosophie und Ästhetik seine Forschungs- und
Lehrtätigkeit an der Universität Hildesheim
widmet, legt auf der Basis einer staunenswerten
Vertrautheit mit der Homerforschung und Ho-
merliteratur und gestützt auf eine ästhetisch-
poetische Spürsicherheit ein weiteres Kapitel
deutscher Homerrezeption vor, deren lange
Reihe mit keinem geringeren als Johann Joa-
chim Winckelmann ihren Anfang nahm. An
Winckelmann, der im Homer „zur Kenntnis des
Schönen zu gelangen" wähnte, erinnert Bartigs
Anverwandlung Homers aber nicht nur wegen
der hermeneutischen Kategorie der „liebevollen
Ergriffenheit"; Bärtig treibt wie Winckelmann
ein genuines Interesse an Fragen ästhetischer
Erziehung, der Paideia, um.
Ausgehend vom Q der Ilias, das bei der Philo-
logie des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts
für die exzeptionelle Bewunderung, die es im
Klassizismus gefunden hatte, tiefer und tiefer in
Ungnade gefallen war, erschließt Bärtig die Ilias
als beziehungsreiche Ganzheit, entfaltet sie in
ihrem strukturellen, kompositorischen und äs-
thetischen Zusammenhang und zeigt nicht zu-
letzt eine neue Bewertung des Humanen. Dabei
kann es uns Altphilologen in unserer von ange-
spannter Apologetik und Orchideen-Pflege-
Didaktik geprägten Situation nur gut tun, soviel

an Rückenstärkung für unsere Themen unver-
mutet aus der Feder eines Philosophen zu erfah-
ren. Die von dem schneidigen Curriculumfor-
scher S. B. Robinsohn seinerzeit lebhaft bestrit-
tene Isomorphie unserer und der antiken Welt -
hier findet sie sich als selbstverständlicher In-
terpretationsansatz, und die von uns affektreich
ins Feld geführte „Bildungsmächtigkeit der
großen Bücher der Antike" - hier wird sie an
einem ausgewählten Kapitel unprätentiös aus-
gebreitet und sachlich belegt.
Als Vorspiel hat Bärtig seiner Interpretation
eine kleine vergleichende Untersuchung der
Musenanrufe in der Ilias vorangestellt, mit der
er auf die homerischen Dichtungsformen ein-
stimmen und den Horizont der Textarbeit ab-
stecken will, wenngleich die hier gefundenen
Kriterien des „Musischen Wissens" in der Folge
hermeneutisch nicht ausgeschöpft scheinen.
Sodann skizziert Bärtig mit gezieltem Vorgriff
auf sein Thema die Geschichte vom Zorn des
Achilleus als die wesentliche, strukturgebende
Thematik der Ilias, durch die das Epos zu einer
„beziehungsreichen Ganzheit" (Schadewaldt)
wird.
Vor diesen Hintergrund und in diesen Kontext
setzt Bärtig die ausgewählte Szene „Priamos im
Zelt des Achilleus", Q 460-676, in der deut-
schen Übersetzung von Schadewaldt. Zwar
vermag Schadewaldts Zeilenprosa in Wortwahl
und Satzbau eine relativ große Nähe zum Origi-
nal zu wahren, doch hätte die Parallelpräsentati-
on des griechischen Wortlautes sicherlich ein
noch höheres Maß an sprachlicher und dichteri-
scher Authentizität und Präsenz vermitteln kön-
nen, zumal die Reihe e.vcerpnz die
Möglichkeit der zweisprachigen Textvorlage
vorsieht.
Im zentralen Teil der Untersuchung entfaltet
Bärtig seine eindringliche Interpretation der
berühmten Xücttg-Szene, schrittweise und über-
sichtlich in 18 Teilkapitel gegliedert. Dabei
partizipiert der Leser an der zuweilen übergro-
ßen Freude des Verfassers an dem Reichtum der
Anspielungen und Verweise, an den „Web-
mustern der rückschauenden Ahnungen und
vorausweisenden Befürchtungen", worin er sich

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