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Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 39.1996

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Gruß wort des Vorsitzenden des DAV-
Magnifizenz,
hochverehrter Herr Vorsitzender Prof. Maier,
verehrte Professores,
verehrte Kolleginnen und Kollegen,
werte Gäste, meine Damen und Herren!
Im Namen des Thüringer Landesverbandes hei-
ße ich Sie, die Sie von nah und fern der Einla-
dung zum Jenaer Kongreß gefolgt sind, in der
Saalestadt herzlich willkommen. Wir Thüringer
Altsprachenlehrerinnen und -lehrer schätzen uns
glücklich und geehrt, daß wir als erstes neues
Bundesland Gastgeber einer so bedeutsamen
Zusammenkunft sein dürfen. Wie andere deut-
sche Regionen kann auch Thüringen in der Ver-
gangenheit auf bedeutende Traditionen in den
/mmamora verweisen, klangvolle Namen
von Gelehrten und Schulmännern wie Carl
Ernst Georges, Rudolph Ewald, Joachim Mar-
quardt stehen stellvertretend für eine Vielzahl
bekannter Persönlichkeiten. Doch an des Jahr-
hunderts ernstem Ende - das Plagiat an Fried-
rich Schiller sei mir an diesem Ort gestattet -
möchte ich vor Ihnen eine kurze Retrospektive
in die jüngste Schulgeschichte unseres Landes
geben.
Die Schulreform 1945 in Ostdeutschland hatte
trotz einschränkender Strukturen den alten
Sprachen an den Oberschulen noch einen festen
Platz im Ensemble der Fächer eingeräumt, und
nicht wenige Lehrer haben damals mit der Be-
geisterung des Neubeginns bei vielen von uns
nunmehr Ergrauten die Liebe zu diesen Fächern
geweckt. Doch in den sechziger Jahren kam die
Eiszeit für die Geisteswissenschaften im allge-
meinen und unsere Fächer im besonderen. Die
rigide Beschneidung bzw. Eliminierung war
bitter, um so mehr sollte man das unermüdliche
Wirken der Kolleginnen und Kollegen an den 9
Schulen anerkennend hervorheben, an denen
noch altsprachlicher Unterricht erteilt werden
durfte. Für die drei Thüringer Bezirke wurde
altsprachlicher Unterricht an der Ernst-Abbe-
EOS in Eisenach gegeben. Wenn auch die Zahl
der Schülerinnen und Schüler gering und die
Aufnahmemodalitäten restriktiv waren, so sind
die Aktivitäten von Lehrenden und Lernenden

Landesverbandes Thüringen
ebenso zu würdigen wie die seit dieser Zeit
bestehenden partnerschaftlichen Beziehungen
zum Institut für Altertumswissenschaften der
Universität Jena. Daß die Unzufriedenheit vieler
Menschen über die Defizite der Allgemeinbil-
dung bei den Jugendlichen besonders in den
Bereichen Geschichte, Religion, Philosophie,
Mythologie und Fremdsprachen ständig wuchs,
war jedem Hellhörigen bekannt. So machte zu
Beginn der 80er Jahre die Weimarer Schriftstel-
lerin Inge von Wangenheim, die, aus bürgerli-
cher Familie stammend, ansonsten mit der Ge-
sellschaft der DDR eng verbunden war, auf
diese Übel öffentlich in ihrem Essay „Genosse
Jedermann und die Klassik" aufmerksam. Der
Aufsatz erregte zwar Aufsehen, eine schulpoliti-
sche Änderung bewirkte er nicht. Daß ab 1984
erstmalig wieder Lateinlehrer an der Martin-
Luther-Universität Halle ausgebildet wurden,
kann als Silberstreif am grauen Bildungshimmel
der DDR gewertet werden, die Strukturen je-
doch blieben die gleichen.
Meine Damen und Herren, die politische Wende
brachte uns die Chance der Erneuerung des
Schulwesens. Sie zu nutzen im Sinne unserer
Sache und im richtigen Zeitpunkt das Richtige
zu tun, dazu fühlten sich die verbliebenen älte-
ren Lehrer des Landes im Bunde mit wenigen,
aber engagierten jungen herausgefordert. Zu
ihnen kamen praxiserfahrene Fremdsprachen-
kollegen, die sich für Latein qualifizierten und
für die Antike begeisterten. Als im Oktober
1990 der Thüringer Landesverband gegründet
wurde - den Geburtshelfern Herrn Seile, Herrn
Dr. Lohe und Prof. Maier sei an dieser Stelle
herzlich gedankt - , sahen wir wie Sisyphus
einen kaum zu überwindenden Berg vor uns,
doch Fortuna und Jupiter meinten es gut mit den
Thüringer Schülern und Lehrern. Denn dank der
Koinzidenz einer konservativen Landespolitik
und einer von Herkunft und Profession aufge-
schlossenen Kultusministerin - ihr Nachfolger
ist in gleicher Weise den /mmam'ora zu-
getan - wurden in unserem Lande schulgesetzli-
che Entscheidungen getroffen, die die
Lahm'raüT an den Gymnasien beförderten.

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