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Deutscher Altphilologenverband [Editor]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 39.1996

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https://doi.org/10.11588/diglit.33062#0045

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1040 Wien für öS 550 (in Deutschland inkl.
Porto ca. DM 80.-). - Die ist das Vergnügen
wert! GERHARD PiNK. Nürnberg
Schuster oder nicht Schuster, das ist hier die
Frage! Neuere Veröffentlichungen über Jakob
Böhme erinnern mich daran, daß der Typ
„Schuhmacher und Philosoph dazu" (bei Wag-
ner in den „Meistersingern" ist Hans Sachs
„Schuhmacher und Poet dazu") ziemlich ver-
breitet ist: Simon, mit dem Sokrates oft disku-
tierte; Mikyllos in Lukians „Hahn"; vor allem
aber Sokrates selbst, jedenfalls in Brechts Ka-
iendergeschichte „Der verwundete Sokrates"
(geschrieben 1939 im dänischen Exil;
Erstdruck: 1949). Daß Sokrates bei Brecht kein
Bildhauer ist, sondern ein Schuster, wider-
spricht der - in diesem Punkt - ausnahmsweise
einhelligen antiken Tradition. Auch bei Georg
Kaiser, einem von Brechts „zwei unehelichen
Vätern" (so Brecht gegenüber Fritz Stemberg;
der andere „uneheliche Vater" war Alfred Dö-
blin), aus dessen Drama „Der gerettete Alkibia-
des" die Episode mit dem Dom stammt (in der
Rowohlt-Taschenbuchausgabe der „Kalender-
geschichte" ist „Der verwundete Sokrates" Ge-
org Kaiser gewidmet) ist Sokrates ein Bildhauer
bzw. ein Hermen-Macher. Warum schloß sich
Brecht in diesem Punkt nicht an Kaiser an? War
es ihm einfach nicht gegenwärtig, welchen Be-
ruf Sokrates gehabt hat? In der Emigration hatte
er ja möglicherweise Kaisers Stück nicht zur
Hand; überhaupt waren die Nachschlagemög-
lichkeiten in Svendborg nicht unbeschränkt.
Übrigens waren Brecht auch die politischen und
militärischen Verhältnisse zur Zeit der Schlacht
von Delion nicht gegenwärtig: Perser als Feinde
auf griechischem Boden sind für das Jahr 424
ganz undenkbar. - Oder stand Brecht, wenn er
Sokrates zum Schuster machte, eben unter dem
Eindruck der Tatsache, daß von der Antike an
der Typ „Schuhmacher und Philosoph dazu"
nicht gerade selten ist? Ein Schuster, der kein
bdnaM.sos' ist, spielt auch in Brechts
„Unwürdiger Greisin" eine Rolle, also in einer
Erzählung, die etwa in derselben Zeit wie der
„Verwundete Sokrates" entstanden ist; sollte da.

zumindest im Unterbewußtsein, eine gewisse
Vorliebe für bestimmte Berufe mitgespielt ha-
ben, so wie sie Brecht auch für manche Wörter,
Namen und Zahlen hatte? (Diesen Hinweis ver-
danke ich Elisabeth Hauptmann.)
Ein anderer Gesichtspunkt, den ich für den ent-
scheidenden halte: Brecht mochte befürchten,
die Berufsbezeichnung „Bildhauer" könne fal-
sche Assoziationen wecken, könne an einen
materiell wohlsituierten Vertreter der künstleri-
schen Intelligenz denken lassen. Zwar gehörte
selbst ein Starskulpturist wie Phidias nicht zu
der höchsten Einkommensklasse (laut Platon.
Menon Kap. 29 verdiente der Sophist Protago-
ras mit seinem Rhetorik-Unterricht mehr als
Phidias und zehn andere Bildhauer zusammen),
jedoch ist andererseits bekannt, daß es „fast kein
antiker Schuster zu Ehren, Ansehen oder
Reichtum gebracht" hat (O. Lau. Schuster und
Schusterhandwerk in der griechisch-römischen
Literatur und Kunst. Diss. Bonn 1967, 182).
Wenn Brecht den Sokrates zum Schuster macht,
so charakterisiert er damit offensichtlich die
soziale Stellung des athenischen Philosophen.
Demselben Zweck dienen weitere Kennzeich-
nungen, auf die hier nicht eingegangen sei. Nä-
heres dazu in meinem Aufsatz: „Brecht und das
Erbe: Der Fall Sokrates", in: Klio 60, 1978,
593ff. bes. 600ff. - Sehr hübsch Marx in den
„Debatten über Preßfreiheit": „Der Schuster
Jakob Böhme war ein großer Philosoph. Man-
che Philosophen von Ruf sind nur große Schu-
ster." JÜRGEN WERNER, Leipzig
Auf Luthers Spuren in Jena. Wer z. B. wäh
rend des Altphilologenkongresses - die Stadt-
kirche von Jena, die Michaeliskirche, besucht,
kann hier das Original von Luthers Grabplatte
mit einer lateinischen Inschrift besichtigen,
obwohl der Reformator bekanntlich nach sei-
nem Tod in Eisleben (18. 2. 1546) nach Witten-
berg übergeführt und dort in der Schloßkirche
beigesetzt wurde. Luther hatte in der Stadtkir-
che von Jena am 22. August 1524 gegen die
Bilderstürmer gepredigt und noch ein weiteres
Mal im Jahr 1529. Die bronzene Grabplatte
wurde 1548/49 (nach einem heute in der An-

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