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Deutscher Altphilologenverband [Editor]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 39.1996

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Nr. 2
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Aktuelle Themen
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Siegers, Josef: Die Anforderungen der modernen Arbeitswelt an die gymnasiale Bildung
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https://doi.org/10.11588/diglit.33062#0075

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Werten anderer Länder in Vergleich setzt.
Deutschland ist hier auf einen der unteren Plätze
zurückgefallen.
Hinzu kommt die deutliche Überlegenheit der
Konkurrenzländer in den schwer zu fassenden
Kategorien von Motivation, Leistungswillen,
Zielorientierung, kurz: Vitalität und Dynamik.
Also: Wir müssen alle Möglichkeiten nutzen,
schon während der Schulzeit die später not-
wendigen Arbeitswelt-Kompetenzen zu trainie-
ren. Mein Eindruck ist, daß zur Einlösung die-
ser Forderung noch viel getan werden muß. Es
geht darum, taugliche Formen der Kooperation
und Kreativität, geeignete Methoden des Argu-
mentieren und Kombinierens verschiedener
fachlicher Ansätze zu erproben. Planspiele,
selbstgesteuertes Lernen, Projektarbeit, Diskus-
sionstraining, fachübergreifendes Lernen, Rol-
lenspiele, Exkursionen usw. könnten geeignete
Stichworte sein. Warum sollte nicht auch am
Gymnasium die klassische Rhetorik gelehrt und
geübt werden? Warum laden die Gymnasien
nicht die Personalchefs und Bildungsverant-
wortlichen der regionalen Unternehmen in die
Schulen ein, um mit ihnen über die Anforde-
rungen der Arbeitswelt und die heute schon in
der Wirtschaft praktizierten Trainingsmethoden
zu diskutieren? Eine solche Öffnung gegenüber
der Arbeitswelt müßte auch von den Professo-
ren der Didaktik und Methodik sowie von der
Ministerialbürokratie, den Herren der Lehrplä-
ne, als Herausforderung verstanden werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
ich zögere nicht, am Ende noch einmal auf die
fundamentale Tatsache hinzuweisen, daß der
wichtigste, wenn nicht einzige Reichtum unse-
res ressourcenarmen, durch kostspielige Sozial-

standards geprägten Landes in der Kompetenz
der hier lebenden Menschen besteht. Noch ha-
ben wir im Vergleich zu den überall aufbre-
chenden, aus ihren traditionellen Bindungen
heraustretenden Völkern, die ihren Anteil an der
globalen Wertschöpfung und am Weltreichtum
einfordem, einen gewissen Vorsprung. Diesen
Vorsprung werden wir angesichts der Dynamik
der Wettbewerber auf Dauer kaum halten kön-
nen. Entscheidend ist, daß unser Wohlstandsni-
veau nicht radikal absinkt. Es gibt gute Chan-
cen, daß bei richtiger Vorgehensweise alle ihren
Vorteil aus dem globalen Wettbewerb ziehen
können, daß also die einen dazugewinnen, die
anderen jedoch nicht verlieren. Ihnen ist die
schwierige und verantwortungsvolle Aufgabe
anvertraut, die nachwachsenden Jahrgänge, vor
allem auch die Eliten unserer Gesellschaft, auf
diesen schwierigen Weg vorzubereiten. Sie
verwalten das kulturelle Erbe unserer humani-
stisch-abendländischen Gesellschaft, Sie haben
Zugang zu den Schatzkammern des Geistes und
- als Altphilologen, d. h. als Freunde der alten
Sprachen - zu den Weisheiten und Erfahrungs-
schätzen der Antike. Ich bin mir sicher, daß dort
überall genug Rüstzeug und Hilfsmittel zur
Verfügung stehen, um junge Menschen für die
Anforderungen der modernen Arbeitswelt an-
gemessen auszustatten.
JOSEF SIEGERS
(Dr. Siegers wurde im Kongreß-Begleiter, S.
36, ausführlich vorgestellt. Er ist u. a. Mitglied
des Vorstandes der Bundesanstalt für Arbeit und
Mitglied der Hauptgeschäftsführung der Bun-
desvereinigung der Deutschen Arbeitgeberver-
bände, dort zuständig für Fragen der Arbeits-
markt-und Bildungspolitik.)

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