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Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 39.1996

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Nr. 3
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Aktuelle Themen
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Werner, Jürgen: "Ab ovo" bis "Veni vidi vici"
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https://doi.org/10.11588/diglit.33062#0131

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art („nZ? <?vo"), sprichwörtlichen Vergleich
Jn/cior") usw. Ist dagegen der Verfasser
bekannt, sprechen wir von einem Geflügelten
Wort. Die Grenze ist nicht immer leicht zu zie-
hen. Einerseits greifen Dichter / Schriftsteller
auf bereits in einer Sprachgemeinschaft umlau-
fende Sprichwörter zurück, deren Urheber nur
eben nicht mehr bekannt sind (ein Engländer hat
das Sprichwort deshalb definiert als „The wir o/*
eng, rhe wM&w ofmnny"), andererseits werden
von Dichtern geprägte Sentenzen bzw. Wen-
dungen aufgrund der genannten Charakteristika
zu Sprichwörtern, die jeder benutzt, weithin
ohne sich dessen bewußt zu sein, daß sie etwa
aus Schillers „Wilhelm Teil" stammen wie der
Blankvers „Die Axt im Haus erspart den Zim-
mermann", ein Vers, der seinerseits auf ein we-
sentlich älteres Sprichwort zurückgehen mag.
(Für das Verhältnis des Blankverses zur nicht-
metrischen Alltagsrede gilt, was Aristoteles für
das tap,ßetov festgestellt hat.) Für das Sprich-
wörtlichwerden spielen übrigens außer der
sprachlichen und sonstigen Formung, die bei
Schiller in hohem Maße gegeben ist, noch ande-
re Faktoren eine Rolle, so, gerade im Fall
Schiller, seine Bekanntheit als Schul- und als
Bühnenautor! - Wenn die Abgrenzung von
Sprichwort und Geflügeltem Wort nun schon
bei einer heute von etwa 100 Millionen Men-
schen täglich benutzten Sprache so kompliziert
ist, wie kompliziert ist sie erst bei einem zwar
noch als Kirchensprache u. ä. lebenden, aber
seit anderthalb Jahrtausenden nicht mehr von
einer ganzen Sprachgemeinschaft verwendeten
Idiom: In der Regel kennen wir antik-
lateinisches Spruchgut ja überhaupt nur aus
römischen Autoren; da ist es schwierig, säuber-
lich zwischen Sprichwort und Geflügeltem
Wort zu scheiden. Eine annähernd einheitliche
und damit aussagekräftige Terminologie für
„Sprichwort", „Zitat" usw. gab es übrigens we-
der im Lateinischen noch im Altgriechischen.
Die Klassische Philologie ist da schlechter dran
als die überwiegend auf Neuzeitliches gerichte-
te, außerordentlich anregende und ertragreiche
internationale Sprichwortforschung, wie sie vor
allem durch Wolfgang Mieder (Burlington.
Verm.) unter anderem mit der von ihm heraus-

gegebenen sehr nützlichen Zeitschrift
„Proverbium" repräsentiert wird (zuletzt Bd.
12/1995).
Standardwerk für das Lateinische ist noch im-
mer A. Otto, Die Sprichwörter und sprichwört-
lichen Redensarten der Römer, Leipzig 1890.
Dazu publizierte Reinhard Häussler „Nachträge
[...]" (Darmstadt 1968); Häussler bereitet mit
Unterstützung der Deutschen Forschungsge-
meinschaft eine Neufassung des „Otto" vor.
Speziell für das Juristische gibt es Detlef Liebs,
Lateinische Rechtsregeln und Rechtssprich-
wörter, 4. überarb. Aufl. Darmstadt 1986, und
Rolf Lieberwirth, Latein im Recht, 3. durchges.
Aufl. Berlin, München 1993. Mehr an den
Nichtfachmann wenden sich Klaus Bartels, Ve-
ni vidi vici. Geflügelte Worte aus dem Griechi-
schen und Lateinischen, 8. Aufl. Zürich und
München 1990 (Neudruck der grundlegend
erneuerten 7. Aufl. von 1989), Karl Bayer, Nota
bene, Das lateinische Zitatenlexikon, Zürich
1993 (Neudr. 1994) und Christian Helfer, Crater
dictorum. Lateinische Sprich- und Schlagwör-
ter, Wahlsprüche und Inschriften des 15.-20.
Jahrh., Saarbrücken 1993, 2. Aufl. 1995. Der
Titel von Bartels' Buch ist selbst ein Geflügel-
tes Wort: Mit „Veni vidi vici" berichtete Caesar
über einen erfolgreichen Feldzug in Kleinasien
in sprachlich und rhythmisch unüberbietbar
einprägsamer Form: dreimal die gleiche gram-
matische Form (1. Sing. Ind. Perf. Akt.) und
damit die gleiche Endung; gleiche Silbenzahl;
Alliteration. (Die von Plutarch überlieferte grie-
chische Fassung - das muß ich als Gräzist in
diesem Fall leider sagen - ist längst nicht so
eindrucksvoll: pkOov, et5ov, evtxrica. Caesars
lateinisches Diktum in italienischer Aussprache
übrigens in einem Lied von Erika Pluhar, die
einen italienischen Lover so zitiert: Veni vidi
vitschi.) Bartels, seinerzeit einer der Herausge-
ber des Lexikons der Alten Welt, jetzt Publizist,
bietet in diesem Büchlein wie in anderen Veröf-
fentlichungen („Eulen aus Athen", „Sokrates im
Supermarkt") sachkundige, eingängige Infor-
mation, in „Veni vidi vici" über ausgewählte
antike Zitate. Das Buch von Bayer mit dem
anspruchsvollen Untertitel („Das lateinische

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