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Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 39.1996

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Nr. 4
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Aktuelle Themen
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Nicolai, Walter; Riedweg, Christoph: Alternativen zum Lehramts-Studium
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https://doi.org/10.11588/diglit.33062#0197

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tauschen. Sie plädierte für eine tüchtige Portion
Mut: „einfach dort anrufen, wo man hin möchte"
(freilich nach sorgfältiger Vorbereitung); bei der
Bewerbung solle man (sofern dies zutrifft) beto-
nen, daß man sich schnell in etwas einarbeiten
kann. Vor allem Frauen trauten sich leider oft viel
zu wenig zu; Frau Dr. Meissner riet deshalb ein-
dringlich, gerade die Frauen sollten etwas selbst-
sicherer auftreten und z. B. bei Bewerbungs- und
Einstellungsgesprächen ruhig äußern, was sie
wirklich möchten.
Herr Jan Ross schließlich (M. A. 1989 in Tübin-
gen), Redakteur bei der F.A.Z, vertrat den Stand-
punkt, daß das Studium der Alten Sprachen sicher
keine schlechte Vorbereitung für eine journalisti-
sche Tätigkeit darstelle (auch wenn es schwer sei
zu sagen, woran dies liege). Er selber nannte da-
für vor allem die folgenden Gründe. Einmal wer-
de in der Altphilologie das .genaue Hinsehen' auf
die Sprache, das für die Redaktionsarbeit sehr
nützlich sei, stärker trainiert als etwa in den neue-
ren Philologien (und die Hauptarbeit eines Re-
dakteurs sei nun einmal das Redigieren, das
Schreiben dagegen nur eine schöne Nebenbe-
schäfügung); grundsätzlich freilich sei gutes Re-
digieren auch in anderen Fächern lernbar. Zwei-
tens könne man aus der Antike zwar keine beson-
deren, einzigartigen Maßstäbe beziehen; „was
man allerdings am Umgang mit der Antike lernen
kann, das ist, überhaupt strenge Maßstäbe zu
haben". Er bezeichnete die Klassische Philologie
generell als eine „Schule der Strenge", und zwar
„in besonderem Maße". Drittens sei die Entschei-
dung für die Altphilologie in der Regel eine Ent-
scheidung für etwas Besonderes - eine Grundsat-
zentscheidung für etwas Abgelegenes, Minoritä-
res, die ein bestimmtes Persönlichkeitsprofil er-
kennen lasse und mehr Selbstbewußtsein voraus-
setze als die Wahl von Trend-Studienfächem wie
Jura oder Wirtschaftswissenschaften; ein solcher
Nonkonformismus sei im kulturellen Bereich -
und so auch bei einer Zeitung - unerläßlich; er
lasse erkennen, daß man Phantasien zu entwik-
keln imstande sei, über das Selbstverständliche
hinausdenke und vor Schwierigkeiten nicht ein-
fach kapituliere.

Herr Ross hat bereits während seines Studiums
für die F.A.Z. und für Runkfunkanstalten ge-
schrieben. Die frühzeitige Anknüpfung von
Kontakten sei wichtig; noch wichtiger jedoch das
Wissen um die eigenen Ziele. Sein Fazit lautete:
„Das Magister-Studium der Altphilologie bringt
zwar keine spezielle Qualifikation, die Ihnen
helfen könnte; doch wenn es Ihnen gefällt, ist die
Wahrscheinlichkeit, daß Sie zu einer Gruppe
gehören, die etwas mehr auf die Beine stellen
kann als andere Leute, relativ groß; dann sollten
Sie gewissermaßen diesem Instinkt folgen und
darauf vertrauen, daß für Sie etwas dabei heraus-
kommt". Eine Promotion sei für den Journalisten
im übrigen nicht unbedingt erforderlich; wer frei-
lich eine Dissertation schreiben woüe, solle dies
ruhig tun (auf eine Verschiebung des Berufsein-
tritts um zwei bis drei Jahre komme es später
nicht an).
Aus der anschließenden (von Professor Riedweg
geleiteten) Diskussion soll insbesondere der allen
drei Referierenden gemeinsame Appell zu Selbst-
bewußtsein, Wagemut und einer gewissen Auf-
müpfigkeit hervorgehoben werden. Unkonventio-
nelle Fächerkombinationen (mit Griechisch
und/oder Latein) und unkonventionelle Leute (die
etwas an sich entdeckt haben und sich so geben,
wie sie sind) haben offensichtlich, so wurde im-
mer wieder deutlich, in den verschiedensten Be-
reichen der Wirtschaft eine Chance, wobei das
Magisterstudium für solche ganz auf die Interes-
sen und Fähigkeiten des einzelnen zugeschnitte-
nen Fächerverbindungen zweifellos bessere
Möglichkeiten bietet als das Lehramtsstudium.
Tätigkeiten in der freien Wirtschaft scheinen, aufs
Ganze gesehen, nicht schwieriger zu sein als eine
Tätigkeit in der Schule: „Wenn Sie sich Zutrauen,
Lehrer zu werden, können Sie alles andere auch"
(Ross).
1) Die im Mitteilungsblatt 3/96 des DAV (S. 145f.)

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