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Neumann, Sarah; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Der gerichtliche Zweikampf: Gottesurteil, Wettstreit, Ehrensache — Mittelalter-Forschungen, Band 31: Ostfildern, 2010

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https://doi.org/10.11588/diglit.34909#0014

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1.2 Wege der Forschung

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für diese Art der Darstellung entschieden, um zentrale Fragen und Thesen herauszuar-
beiten, die es dem Leser ermöglichen nachzuvollziehen, was bereits untersucht wurde,
worauf man aufbauen kann und an welchen Punkten man nochmals oder anders nach-
fragen sollte.

1.2.1 Suche nach dem Ursprung
Die alte Frage nach dem Woher und Warum bildet den Auftakt für die wissenschaftli-
che Auseinandersetzung mit dem gerichtlichen Zweikampf. Bereits im 18. Jahrhundert
entwickelte Charles de Secondat, Baron de Montesquieu in seinem Werk De LEspnT des
Loz'x ein Erklärungsmodell für die Entstehung und Legalisierung des gerichtlichen
Zweikampfes: Das ducNmn, so Montesquieu, habe den kontinentalgermanischen Völ-
kern zunächst zur Eindämmung des ungezügelten Fehdewesens gedient und sei dann
als Alternative zum Beweis durch Eidesleistung im Straf- und Sachenprozess immer
wichtiger geworden; zum einen aufgrund des in einer Fülle von Meineiden begründe-
ten schwindenden Vertrauens in die Eidesleistung, zum anderen weil dieses Rechtsmit-
tel dem kriegerischen Sinn des frühmittelalterlichen Menschen in besonderem Maße
entsprochen habe/
Im Kern formulierte der im Geist der Aufklärung argumentierende Montesquieu
damit eine traditionsbildende These zur Entstehung des gerichtlichen Zweikampfes:
Auch ein Großteil der Forscher, die sich im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts mit
dem Ursprung des beschäftigten/ sah den Motor für den Legalisierungspro-
zess in dem Bemühen um die Etablierung eines herrschaftlichen Gewaltmonopols, das
dem illegalen Fehdewesen mit dem ein legales Alternativangebot zur Konflikt-
beilegung an die Seite stellte. Die heutige Lehrmeinung folgt ebenfalls dieser Ansicht
und bringt den Sachverhalt auf die prägnante Formel, der gerichtliche Zweikampf sei
als >Abrüstungsphänomen< der Fehde zu verstehen/" ein rationalen Prinzipien gehor-
chendes Instrument zur Befriedung einer Gesellschaft, die Selbsthilfe nach wie vor als
Rechtsmittel der Wahl anwendet. Seit mehr als zwei Jahrhunderten überzeugen diese
Argumentation und ihre jeweiligen Modifikationen mit guten Gründen, Quellenbele-
gen und vor allem mit der Attraktivität eines Entwicklungsmodells, das in verführeri-
scher und fortschrittsoptimistischer Geradlinigkeit die Abfolge von Anarchie und
Rechtskultur logisch und chronologisch festschreibt.

8 Vgl. MONTESQUIEU: De l'Esprit des Loix XXVIII.13-36.
9 Zu nennen sind hier z. B. UNGER: Gerichtlicher Zweikampf; MAURER: Beweisverfahren; DAHN:
Studien; DERS.: Fehde-Gang; GÄL: Zweikampf im fränkischen Prozeß. - Vgl. auch die Lehr-
meinung der älteren rechtsgeschichtlichen Handbücher wie z. B. FEHR: Deutsche Rechtsge-
schichte, S. 110.
10 Vgl. z.B. SCHOTT: Tugend und Recht, S. 99-100; HOLZHAUER: Gerichtlicher Zweikampf, S. 275.
Die neueren Auflagen rechtsgeschichtlicher Handbücher diskutieren die älteren Forschungs-
debatten kritisch, betonen i.d.R. aber den Zusammenhang von Eindämmung des Fehde-
wesens und Etablierung des Zweikampfes; vgl. z.B. MiTTEis/LiEBERicH: Deutsche Rechts-
geschichte, S. 98; BADER/DiLCHER: Deutsche Rechtsgeschichte, S. 651. - Angedeutet wird der
>Abrüstungsaspekt< auch bei FicHTENAu: Lebensordnungen 2, S. 510-512. Fichtenau hält Ra-
che bzw. Rachepflicht für das entscheidende Moment, das einerseits als >Recht< begriffen wird
(S. 510), andererseits der Rechtsordnung entgegensteht (S. 511). Fichtenau erkennt im Duell der
Neuzeit den Gedanken der Rachepflicht wieder (S. 510).
 
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