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Neumann, Sarah; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Der gerichtliche Zweikampf: Gottesurteil, Wettstreit, Ehrensache — Mittelalter-Forschungen, Band 31: Ostfildern, 2010

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https://doi.org/10.11588/diglit.34909#0113

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IV. Warum? - Delikte und Konflikte

Zweikämpfe um Besitz- oder Erbansprüche an Grund und Boden werden also ins-
besondere in der literarischen Verarbeitung in mehrfacher Hinsicht zu Bewährungs-
proben. Das zu verhandelnde Delikt ist dabei nur der notwendige Auslöser für einen
Kampf, in dem letztlich ganz andere Dinge verhandelt werden, nämlich: Ist das Rechts-
system wirklich effektiv, bietet es Sicherheit oder sind Unsicherheitsfaktoren zu ver-
zeichnen, die eventuell beseitigt werden müssen? Wer ist überhaupt geeignet. Recht
und Sicherheit zu gewährleisten; wer ist der rechte Herrscher? Und welche persönli-
chen Qualifikationen sollte dieser idealiter mitbringen? Eher allgemeine, herrschafts-
theoretische Überlegungen werden hier letztlich auf Fragen persönlicher Eignung re-
duziert und anhand von Idealtypen exemplifiziert und es ist diese vermeintlich
persönliche Note<, die aus einer Erb- oder Besitzstreitigkeit eine gute Zweikampfge-
schichte machen kann.
In den Fällen jedoch, in denen keine Rückbindung des Falls an Herrschaftsrechte
und Herrschaftskonzeptionen möglich ist, wird die erzählerische Verarbeitung nahezu
unmöglich oder auch unnötig.

IV.1.2 Diebstahl und Raub
Im Jahre 1220 wird John von Marston beschuldigt, er habe gemeinsam mit seinem Bru-
der William und weiteren Kumpanen zwei Leute des Earl von Winchester überfallen,
während diese das Mündel ihres Herrn, eine gewisse Maud, begleiteten. Die Bande um
John von Marston soll die Dame entführt und ihre Eskorte ausgeraubt haben. *' Der
Kläger ist bereit, dies im Zweikampf zu beweisen, doch John rechtfertigt sich zunächst
mit einer recht abenteuerlich anmutenden Erklärung: Maud und ihre Schwester Alice
hätten an die Söhne von John von Littlebury verheiratet werden sollen, doch als Saher,
der eigentlich für Maud vorgesehen war, in den geistlichen Stand eintrat, habe sein
Bruder John, der bereits mit Alice verheiratet gewesen sei, die Chance auf das gesamte
Erbe der Damen gewittert und kurzerhand beschlossen, Maud in ein Kloster zu ste-
cken.'"' Ihr seien diese Pläne jedoch nicht verborgen geblieben und so habe sie sich mit
einem Hilfegesuch an ihn, John von Marston, gewandt. Sie habe ihm die ganze Ge-
schichte erzählt und ihn derart becirct - et z'h7 oduyiMuz'f CM7?f ^ -, dass er sie stante pede
ehelichte. Sobald ihr Schwager von der heimlichen Heirat erfuhr, wollte er Maud in die
Abtei St. Albans verbringen und genau dieser >Eskorte< sei er, John, eben zufällig begeg-
net. Maud habe gezetert, dass man sie in ein Kloster stecken oder gar erschlagen wolle,
doch er habe geantwortet, er könne nicht für sie kämpfen, da die anderen in der Über-
zahl seien. Und so sei Maud eben freiwillig vom Pferd gestiegen und ihm, ihrem Ehe-
mann, nachgelaufen. Von Entführung könne also keine Rede sein und um Raub habe es
sich auch keineswegs gehandelt;^ das sei alles ein Missverständnis und wenn unbe-
dingt ein Zweikampf darüber ausgetragen werden müsse, dann bitte er darum, dass er

535 Vgl. MAiTLAND: Select Pleas 1, Nr. 202, S. 135-138 (a. 1220), hier S. 135. - Vgl. auch einen weite-
ren Fall zum Delikt >Menschenraub< in CRR 21 John (1201), S. 379-380.
536 Vgl. MAiTLAND: Select Pleas 1, Nr. 202, S. 135-138 (a. 1220), hier S. 136.
537 MAiTLAND: Select Pleas 1, Nr. 202, S. 135-138 (a. 1220), hier S. 136.
538 Vgl. seine >Erklärung< in MAiTLAND: Select Pleas 1, Nr. 202, S. 135-138 (a. 1220), hier S. 137.
 
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