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Neumann, Sarah; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Der gerichtliche Zweikampf: Gottesurteil, Wettstreit, Ehrensache — Mittelalter-Forschungen, Band 31: Ostfildern, 2010

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https://doi.org/10.11588/diglit.34909#0056

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11.2 Duellfeinde?

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gunsten des Herzogs von Brabant und erklärt die Gerichtsakte Engelberts in diesem
Falle für nichtig.^ Das Gefühl von Rechtssicherheit wird sich bei den von diesen Kom-
petenzstreitigkeiten Betroffenen wohl kaum eingestellt haben. Es scheint somit nach-
vollziehbar, warum es unter Umständen vernünftiger sein konnte, eine generelle Be-
freiung vom gerichtlichen Zweikampf anzustreben und auch auszusprechen. Das
erfüllt seinen Zweck, wenn es sich als effektives Herrschaftsinstrument erweist,
d. h. wenn es der Stabilisierung der Herrschaftsordnung dient. Wenn es jedoch selbst
umkämpft oder zum Vehikel für Rechtsmissbrauch wird, verliert es einen Teil seiner
Existenzberechtigung. Sein Stellenwert für das Standesbewusstsein der Gerichtsherrn
ist davon jedoch nicht betroffen: Als Hoheitszeichen bleibt der gerichtliche Zweikampf
eine feste Größe und es ist zu klären, ob und wie er sich in dem als duellfeindlich ein-
gestuften Rechts- und auch Lebensbereich von Stadt und Kirche behaupten kann.

11.2 Duellfeinde?

»Der Händler denkt praktisch und ist kein Kämpfer, und dem Mönch war in seiner
durch sichere Besitztitel gewährleisteten klösterlichen Geborgenheit [...] der heldische
Geist verlorengegangen.<A' - Mit diesem Satz glaubt Hermann Nottarp auf den Punkt
zu bringen, welche Rolle der gerichtliche Zweikampf zum einen in zahlreichen Han-
delsprivilegien und stadtrechtlichen Quellen, zum anderen in kirchenrechtlichen Vor-
schriften spielt, nämlich keine bzw. die des Übels, das abgeschafft, zurückgedrängt,
zumindest aber kritisiert werden muss. In der Tat gehören Duellbeschränkungen und
Duellverbote zum Standardrepertoire z.B. von Stadt- und Hofrechten, doch es finden
sich durchaus Ausnahmen, die nicht allein dazu angetan sind, die Regel zu bestätigen,
sondern den Eindruck verstärken, dass mitunter auch einander widersprechende Re-
geln nebeneinander existieren konnten. Dies sollte dazu anregen, die von Nottarp und
auch von anderen etwas zurückhaltender formulierte These vom Triumph der prakti-
schen Vernunft und der Bequemlichkeit über den >heldischen Geist< - als dessen Be-
standteil hier offenbar auch der Zweikampf begriffen wird - zu hinterfragenV

11.2.1 Das im städtischen (Rechts-)Leben
Vordergründig findet Hermann Nottarps Verdikt jedoch seine Bestätigung; der Quel-
lenbefund scheint eindeutig: Seit dem 11. Jahrhundert wird der strenge Rechtsformalis-
mus, dem der mittelalterliche Prozess unterworfen war, für Kaufleute abgemildert.

224 Vgl.MGH Const XI, Nr. 128. Einen ähnlich lautenden Vorwurf erhebt die Stadt Köln gegen
Erzbischof Konrad von Hochstaden im Großen Schied, Abs. 15, S. 183: Item <?Mod domiMMS arcirie-
piscopMS <jMosdam iiomines accepif de pMtdico carcere, <?:d iraife dicifMr, in Coiowia et extra CoioMiam
d:ici et ad dMeihim prorocari iMssif, et devicfis eis iMdiciMm de eis/ieri mandat>if.
225 NoTTARP: Gottesurteilstudien, S. 389.
226 Vgl. generell zum Thema Duellbefreiung und -beschränkung PLANiiz: Geschichte des Ar-
restprozesses und DIESTELKAMP: Städteprivilegien.
 
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