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Neumann, Sarah; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Der gerichtliche Zweikampf: Gottesurteil, Wettstreit, Ehrensache — Mittelalter-Forschungen, Band 31: Ostfildern, 2010

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https://doi.org/10.11588/diglit.34909#0141

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IV. Warum? - Delikte und Konflikte

IV.3.1 Idealvorstellungen: Verrat, Zweikampf und der >gute Herrschen
Aus der Opferperspektive, d. h. aus der Perspektive des Herrn, ist der gerichtliche Zwei-
kampf im Verratsfall eine zweifache Bewährungsprobe: Einerseits soll der Verräter im
dMedtüH entlarvt und überwunden werden; andererseits muss der Herr selbst anlässlich
des Zweikampfes seine Herrschaftskompetenz unter Beweis stellen, sei es, dass er Gna-
de vor Recht ergehen lässt oder die Schuldigen mit harter Hand einer verdienten Strafe
zuführt. Ein Teil der erzählerischen Entwürfe zum Zweikampf anlässlich Verrats be-
tont daher vor allem die Rechtmäßigkeit der Vorgänge^ und/oder rückt das Verhalten
des Herrn in den Mittelpunkt des Geschehens, das wahlweise durch Großmut oder
Strenge geprägt sein kann/^ So wird der gerichtliche Zweikampf der Goten Bera und
Sanilo im Jahre 820 nach der anonymen Ludwigsvita von einem Gnadenakt Kaiser Lud-
wigs des Frommen beschlossen: Der Kaiser lässt Milde walten, schenkt dem des Verrats
überführten Bera das Leben und schickt ihn ins Exil nach Rouen.^ Dass Huldentzug
und Verbannung als typische GnadenstrafeiW möglicherweise nicht allein dem Gebot
königlicher Milde, sondern auch dem Diktat der Realpolitik gehorchen, interessiert hier
wenig. Dem Chronisten ist an einem möglichst positiven Bild des Herrschers gelegen,
dessen cdnnenfd? wesentlicher Bestandteil des mittelalterlichen Herrscherideals ist. Die-
se Tugend kann sich jedoch erst nach dem erweisen; denn die Bereitschaft, sich
auf einen gerichtlichen Zweikampf einzulassen, muss als notwendige vertrauensbil-
dende Maßnahme gewertet werden, die dem Herren ein Minimum an Akzeptanz und
Respekt für die durch ihn vertretene Ordnung signalisiert und somit die Grundlage für
ein mildes Urteil liefert.
In vielen Fällen liegt ein mildes Urteil jedoch im Bereich des Unmöglichen. Statt-
dessen hat der Verräter den gerechten Zorn des Herrschers und eine vernichtende Stra-

725 Vgl. z. B. die knappe Notiz in den Annales de Dunstaplia (a. 1225), S. 95: Der Adelige Roger de
Cantilupe soll laut Anklage den Königsfrieden gebrochen haben und wird daraufhin im ge-
richtlichen Zweikampf überwunden und gehängt; seine Kinder werden enterbt; das Proce-
dere erscheint gerechtfertigt; für den Verräter und seine Nachkommen ist kein Platz in der
Gesellschaftsordnung. - Ähnlich gesetzmäßig läuft die Verratsklage gegen Gerard Camville
auf Zweikampf hinaus: Er soll 1194 mit Räubern gemeinsame Sache gemacht haben; die An-
klage lautet jedoch auf Hochverrat, da er der Vorladung König Richards I. nicht Folge leistet
und allein die gräfliche Gerichtsbarkeit von Richards Bruder und Gegner John akzeptieren
will. Gerard weist alle Vorwürfe zurück, die gegnerische Partei überreicht ihr Kampfespfand
und so lässt er sich auf das dne/dun ein; vgl. Roger von Hoveden: Chronik 3 (a. 1194), S. 242-243
(Verlauf und Ausgang des Kampfes werden nicht überliefert).
726 Vgl. dazu z. B. den Hinweis bei Thomas Ebendorfer: Chronica Austriae 2, S. 135 (Der von
Friedrich von Pettau gegen eine Reihe Steirischer Adeliger erhobene Vorwurf, einen Anschlag
auf den König geplant zu haben, wird nach deren Niederlage im Zweikampf von König Otto-
kar von Böhmen mit Kerkerhaft und Zerstörung ihrer Burgen bestraft).
727 Vgl. Anonymi vita Hludowici, Kap. 33: Sed cum fege zu eum ant?nadnerfendH?n esset, Mt capdatf
sententta ta?n<jHa?n reus ynaiesfafis/ebrefMr, imperafon's tarnen ctementtae odae resernatns est, et Roto-
?nagM?n consistere fussus. - Dieser Version entspricht auch die Darstellung in den Grandes Chro-
niques de France IV.12, S. 68-77 hier S. 70: f.. J et tont deut-tt perdre fe cdfefsetonc fes foi/s. St trona-
d st graut dedonafrete en Fempereor <?ne d n'en porta antre paine,/ors <?ne d/n enooiez en essd a Ronan,
a fa notonte et an rapet Fempereor.
728 Vgl. HOLZHAUER, Heinz: Art. >Landesverweisung<. In: HRG 2, Sp. 1436-1448 (zum Zusammen-
hang von Huldentzug und Verbannung bes. Sp. 1441-1442); SCHWERHOFF, Gerd: Art. Verban-
nung, Exil<. In: LexMA 8, Sp. 1483-1484 und die Fallstudien zum politischen Exil in NAPRAN:
Exile in the Middle Ages, S. 1-82.
 
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