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Neumann, Sarah; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Der gerichtliche Zweikampf: Gottesurteil, Wettstreit, Ehrensache — Mittelalter-Forschungen, Band 31: Ostfildern, 2010

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https://doi.org/10.11588/diglit.34909#0184

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V.2 Reserveeinheiten: Kampfesstellvertreter

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dem (bürgerlichen) Soldaten mit dem sprechenden Namen Zivilles."" Ein Rechtsgrund
für diese Auseinandersetzung liegt nicht vor; sie ist als Co/Aidm"'" von einem Adeligen
inszeniert worden, der um die Furchtsamkeit der beiden Kombattanten weiß und sich
von ihrem Kampf allgemeine Erheiterung verspricht. Seine Rechnung geht auf: Die
Auseinandersetzung der beiden Angsthasen wird zu einem großen Amüsement für die
Hofgesellschaft. Jorcus und Zivilles ist allerdings nicht bewusst, als Hauptdarsteller
einer Komödie zu agieren. Für sie ist der Kampf bitterer Ernst und dies nicht allein, weil
er auf Leben und Tod geht. Auch ihre Einwilligung in den Kampf hat in beiden Fällen
einen existenziellen Hintergrund. So lässt sich Jorcus überreden. Zivilles zum Zwei-
kampf zu fordern, weil der Edelmann ihm weismacht, &/? Jetzo gute Gek'genöOf sei, sid;
&ez' &7H König öeiieöi zn /nncöen'"'' - ihn treibt also der Wunsch nach Anerkennung, nach
Sozialprestige an.""" Zivilles, der die Forderung zunächst erschrocken zurückweist und
sich Bedenkzeit ausbittet, ''" nimmt letztlich den Kampf auf sich, um einen Gesichtsver-
lust zu verhindern, um also sein Sozialprestige zu sichern. '" Die detaillierte Schilde-
rung des Kampfverlaufs liefert dem Leser amüsante Szenen, Slapstick-Einlagen und
fördert vor allem die Gewissheit, dass es diesen beiden an den notwendigen ritterlichen
Qualitäten gebricht, um einen Zweikampf auszufechten. Sie bringen allenfalls ein
oHerposszerEchsfefsJ Sfüd:Km "''' zu Wege; Jorcus Spekulation auf hohe Ämter beim König,
auf sozialen Aufstieg also, erscheint in diesem Zusammenhang geradezu lachhaft, und
dem Leser wird auf humoristische Weise die Einsicht in die Sinnhaftigkeit klar defi-
nierter Standesgrenzen vermittelt.

V.2 Reserveeinheiten: Kampfesstellvertreter

Zur Verdeutlichung der richtigen und guten Gesellschaftsordnung wird in der eben
vorgestellten Erzählung vom Bauern im Zweikampf auf das Prinzip der Kampfesstell-
vertretung zurückgegriffen, das ein essentieller Bestandteil aller Zweikampf-Regelwer-
ke ist. Es gilt in den Ausnahmefällen, in denen der Kampf nicht von den Streitparteien
selbst, sondern durch bezahlte Lohnkämpfer oder freiwillige Kampfesstellvertreter aus
dem Familien-/Freundeskreis""" ausgefochten werden darf. Dies ist zum einen bei enger

963 Vgl. Der gehörnte Siegfried, S. 411-419.
964 Der gehörnte Siegfried, S. 412.
965 Der gehörnte Siegfried, S. 411.
966 Vgl. Der gehörnte Siegfried, S. 412: Wenn er dieses ööreo wird, so wird er dir oor ScdrecireM m'cdf
kommen.' alsdann East dn scdon Ehre genng. Oder da er ja kommen würde, wird er docd, so&aid er dicd
gewappnet siedt, oor Enrcdf die FlncEt nehmen; so kommst dn zo großen Ämtern öeim König.
967 Vgl. Der gehörnte Siegfried, S. 413.
968 Vgl. Der gehörnte Siegfried, S. 413-414: Am Morgen aöer redeten König Siegdardns Lente mit Zioü-
ies, nnd sagten: Es war idm eine ewige Scdande, / wenn er den Kamp/aMsscidHge.
969 Der gehörnte Siegfried, S. 411.
970 Es sind teilweise Bemühungen zu verzeichnen, vornehmlich freiwillige Helfer, häufig aus
dem Kreis der Angehörigen, als Kampfesstellvertreter zuzulassen. Dies ist möglicherweise
als Versuch zu werten, leichtfertige Duell-Forderungen zu unterbinden oder auch die Benach-
teiligung einer Streitpartei, die eben keinen versierten Lohnkämpfer stellen kann, zu vermei-
den; vgl. z.B. CRR 69 Richard I. (1196), S. 330; CRR 72 Henry III. (1220), S. 271-272; MAiTLAND:
 
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