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Neumann, Sarah; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Der gerichtliche Zweikampf: Gottesurteil, Wettstreit, Ehrensache — Mittelalter-Forschungen, Band 31: Ostfildern, 2010

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https://doi.org/10.11588/diglit.34909#0139

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IV. Warum? - Delikte und Konflikte

Zunächst scheint ihn sein Kampf für die Unrechte Sache tatsächlich zu belasten; er zö-
gert und weicht seinem Gegner aus/"" Dieser provoziert ihn daraufhin mit dem Satz Ey
du Zü/JMchsf/" Er bezeichnet ihn also als Feigling und rührt damit an den Kern
des ritterlichen Selbstverständnisses. Damit wird dem Kampf eine ganz andere Ver-
handlungsgrundlage gegeben. Der Herr von Montfort gerät in Rage und tötet seinen
Gegner/" Die Kaiserin ist rehabilitiert, doch ist dies allenfalls der Nebeneffekt eines
Kampfes, der allein dem Tugendbeweis eines vollendeten Ritters dienen sollte. Das De-
likt und die Schuldfrage verlieren an Bedeutung. Der Kampf ist identitätsstiftendes
Moment und soziales Distinktionsmerkmal; der Kampfplatz wird zur Arena der Selbst-
darstellung. Und in dieser Arena erweist sich der Kämpe als vollkommen vertrauens-
würdige Persönlichkeit. Versprechen, die dieser Mann gegeben hat, werden gehalten;
Bindungen, die er eingegangen ist, wird er nicht wieder auflösen. Damit trägt auch
dieser skandalöse Fall die typischen Züge der erzählerischen Entwürfe zum Zwei-
kampf anlässlich eines Ehebruchvorwurfs: Das juristisch definierte Delikt und die Fra-
ge nach Schuld oder Unschuld im konkreten Rechtsfall treten zurück. Stattdessen wird
ein Konflikt gestaltet, dem durch die gewählte Personenkonstellation, die Rückbin-
dung an politisch-soziale Netzwerke und ständische Dispositionen die Bedeutung ei-
ner Staatsaffäre ersten Ranges zukommt, die nur übertroffen wird von der Darstellung
des unmittelbaren Angriffs auf die Herrschafts- und Gesellschaftsordnung: Verrat
bzw. Hochverrat.

IV. 3 Treubrüche: Verrat

Der Terminus >Verrat< stellt den Betrachter vor definitorische Schwierigkeiten, denn
dieser Sammelbegriff umfasst eine breite Palette von Vergehen/*" Allgemein bezeichnet
der Begriff zunächst treulos-rechtswidriges Verhalten des Vasallen gegenüber seinem
Lehnsherrn/"" Entscheidend für die Ausdifferenzierung des Delikts ist jedoch die ver-

717 Vgl. Thomas Lirer: Schwäbische Chronik, S. 36:/brctit er Zer/rauwen oen'eZen onZ wäre tat onZ
watet? onZ/tocti yn a?'n Ua?'ne zeit onZ wett.
718 Thomas Lirer: Schwäbische Chronik, S. 36.
719 Vgl. Thomas Lirer: Schwäbische Chronik, S. 36: Das warZ Ze;n gra/en zn Zertzor; gon stet-; Ze/ gegen
y?n zu entsctuZZtgen onZ sprechen. Du ttigst mtet? an onZ tn'st an Ztr seiner. onZ wttt t?e??t o& got wttt
?netn ere vnZ/rtimtrett an Ztr rectien. onZ Ztct? ZarumF ?ntt Zer trtt^fgottes zu toZ sct?tat?en. VnZ gewan
ZeJ? Zen stg onZ rett Zer triintgtn tre ere onZ sctitug yn zu tot.
720 Vgl. zur ersten Orientierung SCHILD, Wolfgang: Art. >Verrat<. In: HRG 5, Sp. 793-795;
ScHMiNCK, Christoph Ulrich: Art. Hochverrate In: HRG 2, Sp. 179-186, bes. 179-181; HOLZ-
HAUER, Heinz: Art. Landesverräte In: HRG 2, Sp. 1419-1432, bes. 1419-1426; His: Strafrecht 1,
S. 145-152. - Spezialuntersuchungen zu diesem Thema wären wünschenswert, sind jedoch
kaum vorhanden; vgl. BARRON: Penalties for Treason; BELLAMY: Law of Treason; LEAR: Trea-
son and related offenses; zur literarischen Verarbeitung des Verrat-Delikts vgl. außerdem
DESSAU: L'idee de la trahison au moyen äge.
721 Im englischen Bereich ist seit dem 9. Jahrhundert der Begriff treason als Oberbegriff etabliert;
seit dem 11. Jahrhundert ist allgemein der Sammelbegriff Eefonie üblich; vgl. HARDiNG, Alan:
Art. >Treason<. In: LexMA 8, Sp. 966 und KRIEGER, Karl-Friedrich: Art. >Felonie<. In: LexMA 4,
Sp. 344-345.
 
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