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Neumann, Sarah; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Der gerichtliche Zweikampf: Gottesurteil, Wettstreit, Ehrensache — Mittelalter-Forschungen, Band 31: Ostfildern, 2010

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https://doi.org/10.11588/diglit.34909#0025

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I. Einleitung

1.3 Bezugspunkte und Grenzmarken
1.3.1 Historische Zitate
Die Suche nach und Konstruktion von Kontinuität ist ein ebenso überzeitliches Phäno-
men wie der Zweikampf selbst und im Falle des dudhuT! bereits Geschichte. Und so sind
im Bemühen um Einblick in die Entwicklungsgeschichte des gerichtlichen Zweikamp-
fes nicht allein von Historikern, sondern auch von Sozialwissenschaftlern und Ethnolo-
gen oftmals andere Kulturen und Zeiten als Vergleichspunkt für dieses mittelalterliche
Phänomen herangezogen worden. Dadurch wird es möglich, das mdidtUT! in ei-
nen weiteren Rahmen einzuordnen und es als spezifisch mittelalterliches Element in-
nerhalb des universalen und diachronen Phänomens >Zweikampf< zu behandeln/" Des-
sen zeitliche und kulturelle Grenzen überschreitende Tragweite beschäftigt eine
entsprechend breit gefächerte Palette von Disziplinen, deren Forschungsergebnisse
wechselseitigen Nutzen bringen. So vermitteln dem Historiker, der bestrebt ist, die
»Strukturen einer geschichtlichen Epoche in ihrer anthropologischen Verfaßtheit«''
aufzuzeigen, gerade auch soziologische und ethnologische Ansätze Einsicht in den
Zweikampf als ein Grundmuster menschlichen Verhaltens.
Es scheint daher durchaus berechtigt, den Blick zurückzuwenden, um sowohl die
großen Mythen der Menschheitsgeschichte zur Behandlung dieses Sujets zu konsultie-
ren als auch nach seinen möglichen historischen Vorläufern zu fragen/" Dabei kann es
nicht um den Nachweis einer Direktverbindung gehen, die zwischen den sagenhaften
Zweikämpfen von Achill und Hektor, Turnus und Aeneas oder den Auseinanderset-
zungen der Horatier mit den Curiatiern einen Kausalzusammenhang mit der Rechts-
praxis des mittelalterlichen Kampfordais herstellt bzw. konstruiert/" Die Antworten,
die solche vergleichenden, motivgeschichtlich orientierten Ansätze für die Beurteilung
des mittelalterlichen Gerichtszweikampfes ermöglichen, können eher erklären, in wel-
chem Maße man sich im Mittelalter des historischen Zitats< bediente und die eigenen
Rechtsgepflogenheiten aus der Geschichte zu begründen suchte. Die Rückbesinnung
auf altes Herkommen und historische Vorläufer ist seit jeher eine erfolgversprechende
Legitimationsstrategie und ein überzeugender Erklärungsansatz; bereits im Mittelalter
wurde versucht, das dudhuT! zu historisieren, es als gewachsene, christliche Tradition
darzustellen. Für den gerichtlichen Zweikampf wurde insbesondere die Auseinander-

60 Mit dem verstärkten Interesse an rechtsethnologischen Fragen wurde auch dem Zweikampf
stärkere Beachtung geschenkt; vgl. die Übersicht bei THUNWALD: Werden, Wandel und Gestal-
tung des Rechts und REDFiELD: Primitive Law. Der Autor erkennt im Zweikampf »the prin-
ciple [...] of meeting force with force, but in so restricted a manner as to satisfy the injured
person and yet bring the controversy to an end. The duel is an elementary juridicial Institution
of this sort« (S. 8-9).
61 So die programmatische Antwort auf die Frage »Wozu noch Geschichte?« von KosELLECK in
seinem gleichnamigen Aufsatz.
62 Antike Traditionen des Zweikampfes behandelt z. B. DÜLL: Frage des Gottesurteils.
63 Vgl. BALDicx: The Duel, S. 11; KiERNAN: Duel in European History, S. 19-30.
 
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