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Neumann, Sarah; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Der gerichtliche Zweikampf: Gottesurteil, Wettstreit, Ehrensache — Mittelalter-Forschungen, Band 31: Ostfildern, 2010

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https://doi.org/10.11588/diglit.34909#0053

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II. Wo? - Gerichtshoheiten und Schauplätze

Formen gezwungen, sondern der Zweikampf wird Anfang des 11. Jahrhunderts als
Rechtsmittel abgeschafft.*" Und dies erlaubt dann abschließend doch noch einige Be-
merkungen zum Thema >der König und der Zweikampf<, denn auch wenn es an Rechts-
quellen fehlt, gestalten Sagas und Chroniken des 12. und 13. Jahrhunderts das Ende des
Zweikampfes als Vernunftentscheid eines - nun christlichen - Herrschers: So habe der
norwegische Jarl Eirfk Häkonarson die missbräuchliche Praxis erkannt, die mit dem
Zweikampf getrieben worden sei, und ihn um 1012/15 untersagt, um nicht weiterhin
gewalttätigen und kampfgeübten Männern zu ermöglichen, sich per Zweikampf zu be-
reichern.*" Auf Island solle hingegen der Kampf zweier junger Adeliger um 1006/10
zum sofortigen Verbot des Zweikampfes geführt haben."* Zwar berichten einige Sagas
auch noch von späteren Rückgriffen auf den Zweikampf, doch dieser Rückgriff wird in
einem Falle mit dem Hinweis des Häuptlings abgelehnt, ein solch heidnisches Rechts-
mittel dürfe nicht wieder zum Leben erweckt werden.*" Dem entspricht letztlich auch
der Bericht des Saxo Grammaticus über das Verbot des Zweikampfes in Dänemark.
Sven Gabelbart (985-1014) habe dieses überkommene Rechtsmittel abgeschafft, da seine
Präferenz dem 996 eingeführten Ordal des heißen Eisens gegolten habe. Die ersonne-
nen oder überlieferten Motive der Herrscher scheinen durchaus vertraut: Der Zwei-
kampf wird aufgrund von Erfahrungswerten und mit rechts- und religionspolitischen
Argumenten abgelehnt. Eine verbindliche Rechts- und Glaubensgrundlage sichert den
Bestand der Herrschaft und es ist auch in diesen Zeugnissen zu ahnen, dass Gewaltaus-
übung innerhalb der rechtlichen Ordnung dieser Herrschaft Vorbehalten bleiben soll.
Dies verdeutlicht auch der exklusive Status, den der gerichtliche Zweikampf für den
Gerichtsherrn hat; denn: Dem dMcHwü vorzusitzen ist nicht nur ein Recht, sondern ein
Vorrecht, eine Insignie königlicher Macht, die zumindest in einigen Fällen privilegialen
Status erreichen und Objekt fürstlicher Begehrlichkeiten werden konnte.*"

11.1.3 pnüdpes und duces
Der Aufbau einer starken Zentralgewalt wird auch über Ausbau und Ausdifferenzie-
rung von Recht und Verwaltung vorangetrieben. Dies bedeutet für die Herrschenden
eine Gratwanderung: Einerseits sind sie auf die Zusammenarbeit mit den Partikularge-
walten angewiesen und müssen ihnen entsprechende rechtlich-administrative Kompe-
tenzen verleihen; andererseits dürfen die Zugeständnisse nicht so groß sein, dass sie
den Herrschaftsanspruch der Zentralgewalt gefährden könnten. Welche Konsequen-

210 Vgl. SiEG: Zweikämpfe der Isländersagas, S. 2 (Quellenbelege in Anm. 1); JoNEs: Characteris-
tics, S. 222-223.
211 Vgl. MAURER: Vorlesungen 5, S. 708-709.
212 Vgl. Gunnlaugs saga, Kap. 11, S. 95-96.
213 Vgl. Ljdsvetninga saga XI.31-32; dazu MAURER: Vorlesungen 5, S. 710-711.
214 Vgl. zum pn'UfegiMm dueda coram se agi permüfere ScHRÖDER/KÜNSSBERG: Rechtsgeschichte,
S. 186 und die Analyse bei ZEUMER: Zusatz. - LEISER: Süddeutsche Land- und Kampfgerichte,
S. 13 stellt dagegen fest, der gerichtliche Zweikampf habe keineswegs ausschließlich vor mit
Königsbann ausgestatteten Gerichten ausgetragen werden dürfen (so z. B. das Zeugnis des
Sachsenspiegels in Landrecht I 62 § 2). - Es scheint fraglich, ob in diesem Fall die Antwort in
einem entschiedenen Entweder-Oder gegeben werden kann; die Stellung des Zweikampf-
rechts als Vorrecht wird in den oben angeführten Zeugnissen jedoch sehr deutlich.
 
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