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Neumann, Sarah; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Der gerichtliche Zweikampf: Gottesurteil, Wettstreit, Ehrensache — Mittelalter-Forschungen, Band 31: Ostfildern, 2010

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https://doi.org/10.11588/diglit.34909#0192

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V.2 Reserveeinheiten: Kampfesstellvertreter

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Kämpen zur Rettung einer heidnischen Dame, die zwangsverheiratet werden soll, an-
treten lassen. Das wirkt hier gleichsam als Befreiungsschlag: Es vernichtet den
>bösen< heidnischen Ehekandidaten und schafft so die Voraussetzung für die Bekeh-
rung der >guten< Heidin, die daraufhin den Helden oder einen seiner Freunde heiraten
und bei der Etablierung einer neuen, christlichen Herrschaftsordnung mitwirken
kann^°
Frauen- und Gottesdienst als konstitutive Elemente der Definition des idealen rit-
terlichen Kämpen tragen dazu bei, die durch innere Konflikte oder durch äußere Be-
drohung gefährdete Herrschaftsordnung zu stabilisieren, qualifizieren den Kämpen
für eine Schlüsselposition innerhalb dieser Herrschaftsordnung und bringen ihm somit
irdischen Lohn. Kämpfende Männer gewinnen im erzählerischen Entwurf dank ihres
Dienstes an Ansehen und Einfluss; und so tragen diese Erfolgsgeschichten zur Selbst-
vergewisserung und zur Identitätsstiftung des Ritterstandes bei. - Es bleibt zu fragen,
ob diese Identifikationsangebote auch in den Ausnahmefällen bedeutsam bleiben, in
denen nicht Menschen, sondern Tiere als Protagonisten auf dem Kampfplatz antreten.

V.2.3 Kämpfende Attribute: Tiere im
Im Jahre 1817 legte Goethe die Bühnenleitung des Weimarer Theaters nieder. Der An-
lass, freilich nicht die Ursache, war seine entschiedene Haltung gegen die Aufführung
des Dramas Der fhuzd des in dem ein dressierter Pudel die Hauptrolle spielte.^
Schienen Goethe Dramatik und dressierte Pudel unvereinbar, bewiesen die Zuschauer-
reaktionen doch/"** dass die Adaption eines bereits im Mittelalter populären und im-
mer wieder bearbeiteten Stoffes"'" ' auch in der Neuzeit noch faszinieren konnte.^ Ver-
wurzelt ist die Geschichte vom Hund des Aubry nämlich im Sagenkreis um Karl den
Großen und hier speziell in der Sage um die Lebensgeschichte seiner Gemahlin, der
Königin Sibylle, die Karl aufgrund eines verräterischen Ehebruchvorwurfs durch den
Zwerg Sy weron verstößt. Der Ritter Aubry de Montdidier ist als ihre Begleitung abge-
ordnet, wird jedoch unterwegs von dem Verräter Macaire ermordet, der Sibylle für sich
begehrt. Sie kann fliehen; Macaires Missetat bleibt zunächst unentdeckt. Der Hund
Aubrys will seinen toten Herrn jedoch mit Lebensmitteln versorgen, die er an Karls Hof
stibitzt. Dabei trifft er mehrfach auf Macaire und fällt ihn an. Das seltsame Verhalten

1020 Vgl. z. B. Elie de Saint-Gille, V. 1714-2295 (Der christliche Kämpe Elie tritt für Rosamunde
gegen den heidnischen Bösewicht Lubien an, um ihre Hochzeitsverweigerung zu verfech-
ten). - Dies ist gleichsam die persönlich gehaltene Variante einer generellen Aussage zum
Umgang mit Heiden: Entweder lassen sie sich bekehren oder es kommt zu einem Massaker;
vgl. zu letzterem z. B. Huon de Bordeaux, V. 6304-6627 (Huon tritt für den Heiden Gaudisse
an, doch dieser will sich nach Huons Sieg nicht taufen lassen. Es kommt zu einem Gemetzel,
bei dem Huon den Bart und vier Backenzähne von Gaudisse als Trophäe erhält).
1021 Vgl. zu den Hintergründen LANDSBERG: Der Hund des Aubri.
1022 Vgl. LANDSBERG: Der Hund des Aubri, S. 336.
1023 Zur Stoffgeschichte vgl. FRENZEL: Stoffe der Weltliteratur, S. 726-728; GuESSARD: Macaire/
Introduction, S. LXIII-LXXIV; vgl. insbesondere zu den spätmittelalterlichen Prosa-Fassun-
gen TiEMANN: Königin Sibille.
1024 Auch in eher populärwissenschaftlichen Darstellungen findet sich regelmäßig ein Verweis
auf diesen Zweikampf und seine Darstellung im Bild vgl. z. B. BALDiCK: The Duel, S. 20-21
mit Abb. 4; MoNESTiER: Duels, S. 93 mit den Abb. auf Seite 92/93.
 
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