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Neumann, Sarah; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Der gerichtliche Zweikampf: Gottesurteil, Wettstreit, Ehrensache — Mittelalter-Forschungen, Band 31: Ostfildern, 2010

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https://doi.org/10.11588/diglit.34909#0169

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168

V. Wer? - Delinquenten und Kombattanten

dem Mord an Graf Karl dem Guten im Jahre 1127:^ Ein Jahr vor seinem gewaltsamen
Tod hat der Graf aus finanzpolitischen Erwägungen eine Erhebung durchführen las-
sen, wer in Flandern nach Geburt und Rechtsstatus frei oder unfrei sei, zu welchen
Leistungen er daher von ihm herangezogen werden könne. Dabei stellte sich heraus,
dass die nach der gräflichen Familie mächtigste Sippe Flanderns, die Erembalde, servi-
ler Abstammung und somit Eigenleute des Grafen seien. Diese spektakuläre Entde-
ckung wurde nach Galberts Zeugnis anlässlich einer Zweikampfforderung gemacht.
1126 hatte ein Ritter vor den Augen des flandrischen Grafen die Zweikampfforderung
eines anderen Ritters mit der Begründung zurückgewiesen, er sei frei geboren und kön-
ne daher den Herausforderer nicht als ebenbürtigen Gegner akzeptieren.^* Für Karl den
Guten galt der servile Status der Erembalde damit als erwiesen, war der zurückgewie-
sene Herausforderer doch durch seine Frau mit dieser Sippe verbunden. Dies berechtig-
te den Grafen nicht allein zu umfangreichen finanziellen Forderungen, sondern dis-
qualifizierte die Familie auch für die Schlüsselpositionen, die sie bislang in der
gräflichen Verwaltung eingenommen hatte. Die Zweikampfverweigerung war also
gleichsam der Todesstoß für die Erembalde, deren Rache, der Mord an Karl dem Guten,
nicht lange auf sich warten ließ."' '
Der gerichtliche Zweikampf kann also gleichermaßen verbinden und trennen: Er
eint die Kaste des Adels, weil er Teil des guten Tons ist, an dem der Ritter den Ritter
erkennt. Gleichzeitig vermag er jedoch auch der heterogenen Masse des Adels schärfere
Konturen zu verleihen, indem er Herren von Vasallen und Ritterbürtige von Aufstei-
gern trennt. Er ist das aggressive Strukturprinzip der gesellschaftlichen Elite, macht
Männer zu Privilegierten, zu Gebietern und Getreuen und positioniert sie so in den sich
überlagernden Loyalitätsverhältnissen zu Über- und Untergeordneten.

V.1.2 reges: konfliktfähige Herrscher
Gilt das dMeNM7H für den Adel als adäquates Mittel, seine Position im Herrschaftsgefüge
zu sichern und seine Loyalität zum Herrscher schlagend unter Beweis zu stellen, ist
diesem aufgrund seiner herausgehobenen und gleichsam sakralen Stellung das persön-
liche Ausfechten des Zweikampfes rechtlich gerade nicht erlaubt.^ Sollte doch ein ge-
richtlicher Zweikampf notwendig sein, wird er vom 077Hpz'o regz's übernommen.^ Erzäh-

891 Vgl. zum Chronisten und zum historischen Hintergrund die Hinweise in Kap. 111.3, bes.
Anm. 466.
892 Vgl. Galbert von Brügge: De multro, Kap. 7 S. 13: SM coMÜyd, <?Mod mdes, tpü Mepfem preposiü
dMxeraf in Mxorem, ad siny:dare ahüm ^Memdam in presenü'a comiü's appedaref mddem, tpu se-
CMMdMW SMae coynaü'oM7's propayaüoMcm erat; at appeiiatMS iMdiyMaü'ow's sdd rep:dsa Mn'ä'ter res-
pondit, scdicet se non/hisse de servüi conditione, imo äüerae diyw'tatis, f.. J, et doc ad MMm siMgM-
iare non se/ore parem appeüaMti coMgressMrMm.
893 Zu den Hintergründen dieser Tat vgl. Ross: Rise and Fall.
894 Diese gleichsam sakrale Sonderstellung muss jedoch gar nicht eigens betont werden; häufiger
findet sich die Verweigerung des Zweikampfes aufgrund mangelnder Ebenbürtigkeit, also
ein bitterliches Argumente vgl. z. B. Eulogium Cont. (a. 1402), S. 395: Heinrich IV. lehnt die
Zweikampfforderung des Herzogs von Orleans 1402 mit einem Verweis auf die Ebenbürtig-
keitsregelung ab und erklärt, er kämpfe nicht mit einem Rangniederen.
895 Vgl. GoEz: Fürstenzweikämpfe, S. 162; S. dazu Kap. V.2.1. - Bemerkenswert ist, dass die Ex-
klusivstellung des Herrschers kaum als Entschuldigung für den Rücktritt vom Zweikampf
 
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