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Neumann, Sarah; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Der gerichtliche Zweikampf: Gottesurteil, Wettstreit, Ehrensache — Mittelalter-Forschungen, Band 31: Ostfildern, 2010

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https://doi.org/10.11588/diglit.34909#0165

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V. Wer? - Delinquenten und Kombattanten

schreiben ihn damit der auf dem Agon-Gedanken basierenden Standeskultur des Adels

V.l.l Moores: Adel und Zweikampf
Der Wehrstand ist indes keine homogene Gruppe, sondern ein komplexes, sich bestän-
dig wandelndes Gebilde."' Die Heterogenität dessen, was plakativ als Adel bezeichnet
wird, erfordert mehr als nur eine Begründung für die Verbindung von ducHtu?! und
adeligem Standesbewusstsein und daher bieten auch erzählerische Modelle ein breites
Spektrum an Legitimationsstrategien zur Bestätigung der Gleichungen >Adel kämpft<
sowie >Zweikampf adelt<. So leistet die Darstellung der Auseinandersetzung Mann ge-
gen Mann in mehrfacher Hinsicht einen Beitrag zur Definition dessen, was als Adel
oder als adelig zu betrachten sei. - Da der Großteil an Zweikampf-Belegen sich auf das
adelige Milieu bezieht und >Adel< als Schlagwort im Vorhergehenden und im Folgenden
immer wieder eine Rolle spielt, werden an dieser Stelle die Hauptelemente erzähleri-
scher Entwürfe vorgestellt, die jedoch nicht unabhängig voneinander existieren, son-
dern unauflöslich miteinander verbunden sind.
Wie die Analyse der zweikampfwürdigen Delikte gezeigt hat, kommt strittigen
Herrschaftsrechten und dem Universalvorwurf >Verrat< große Bedeutung für das dud-
zu."" Der gerichtliche Zweikampf wird in erzählenden Quellen als adäquate Mög-
lichkeit dargestellt, die eigene Position im Herrschaftsgefüge abzusichern oder auch zu
verbessern, und zwar sowohl in Bezug auf Über- als auch auf Untergeordnete. Deutlich
wird in diesen Konflikten, dass es Chronisten und Dichtern nicht um eine rein funkti-
onale Definition des zu tun ist, sondern dass der Zweikampf bzw. die Zwei-
kampfforderung vor allem ständische Ideale repräsentiert. Und so erschließt sich dem
Betrachter aus der Lektüre mittelalterlicher Erzählliteratur vor allem eines: Der Zwei-
kampf, ob als spontane, vereinbarte oder eben auch gerichtlich beaufsichtigte Form der
Auseinandersetzung ist Teil des ritterlichen Standesbewusstseins. Die Bereitschaft, ein
&/UÜU77 auszufechten, belegt das notwendige Maß an Schlagfertigkeit, um sich mit
Recht der adeligen Gesellschaftselite zurechnen zu dürfen.^ - Der Geistliche Lambert
von Ardres schildert in seiner um 1200 verfassten Geschichte der Gm/ezz uozz Gühzes^" fol-

866 Vgl. zur Orientierung KEEN: Rittertum; FLECKENSTEiN/ZoTz: Rittertum; DERS.: Curialitas;
OEXLE/PARAViciNi: Nobilitas. Ursachen und Verlauf der Formierung des Wehrstandes wer-
den insbesondere dargestellt in Arbeiten zur Drei-Stände-Lehre, wie z. B. OEXLE: Funktionale
Dreiteilung.
867 Vgl. zur Ausdifferenzierung des Ritterstandes SABLONiER: Adel im Wandel; SpiESS: Ständi-
sche Abgrenzung. - Neuere Forschungsergebnisse bündelt HECHBERGER: Adel.
868 Vgl. Kap. IV.
869 Vgl. z. B. die Zahl an Belegen für Turniere, Einzelkämpfe, Zweikampfforderungen, die in kurzer
Folge genannt werden bei Ranulf Higden: Polychronicon Cont., S. 234-237. - Niederlagen oder
Einschränkungen der Kampfestüchtigkeit werden nur als kurzzeitige Unterbrechung der kämp-
ferischen Aktivitäten verstanden; vgl. z. B. Philippe de Vigneulles: Chronique 2, S. 115 (1397 tref-
fen Amey de Salbruch und Collas de Mercy im Kampf aufeinander; Amey unterliegt und wird in
Ivoix inhaftiert. Er erhält jedoch bald seine Waffen zurück ef/z'sf ezzcor hepihs maüüez cherazzichze).
870 Zu Verfasser und Werk vgl. BouRGAiN, Pascale: Art. >Lambert von Ardes<. In: LexMA 5,
Sp. 1624-1625 und SHOPKOw: Lambert of Ardres/Introduction, S. 1-40; GANSHOF: La chronique
de Lambert d'Ardres.
 
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