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Neumann, Sarah; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Der gerichtliche Zweikampf: Gottesurteil, Wettstreit, Ehrensache — Mittelalter-Forschungen, Band 31: Ostfildern, 2010

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https://doi.org/10.11588/diglit.34909#0207

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206

V. Wer? - Delinquenten und Kombattanten

den Aussätzigen mit deren Blut. Sein Freundschaftsdienst wird mit einem Wunder ver-
golten. Seine Nachkommenschaft wird wieder zum Leben erweckt.
Der Zweikampf ist in diesem Fall also nicht allein ein Amt, das ein Stellvertreter
versieht, ein Dienst, den ein Kämpe erfüllt, sondern vor allem ein Opfer, das der Freund
zu bringen hat. Dieses Opfer besteht nicht allein in der Kampfbereitschaft, sondern
primär in der bewussten und sündhaften Manipulation des Gottesurteils. Amis und
Amiles sind, so scheint es, eine Ausnahme unter den in Dichtung und Chronistik ver-
sammelten Kombattanten: Ihnen bringt der Kampf keine Belohnung, sondern Schuld;
der Sieg im ducHtu?! ist kein Befreiungsschlag, sondern zieht Amis beinahe in den Ab-
grund. Und dennoch belegt gerade dieser Kampf die Belastbarkeit ihrer Verbindung.
Die Loyalität gegenüber dem Herrn wird hier also gleichsam ins Persönliche gewendet
und durch die Treue und Liebe zum Freund ersetzt.
Treue und Liebe sind auch die Schlagwörter, die der Betrachter zur Entschlüsse-
lung einer weiteren Konstellation auf dem Kampfplatz für hilfreich befinden mag: der
Konfrontation von Mann und Frau im ducHtu?!. Es bleibt daher zu prüfen, welchen Sinn
die Vorstellung von der wehrhaften Frau transportiert.

V.3.3 Wehrhafte Weiber: Frauen im Zweikampf
Die juristische Anforderung an Frauen, aufgrund ihrer mangelnden Waffenfähigkeit
einen Kampfesstellvertreter für ihre Sache zu nominieren, hat sich in erzählenden
Quellen nicht allein produktiv für die Darstellung ritterlicher Tugenden erwiesen. Sie
hat auch dazu angeregt, Gegenentwürfe zu entwickeln und die Vertreterinnen des
sprichwörtlich schwachen Geschlechtes mit einem männlichen Gegner auf dem Kampf-
platz zu konfrontieren. Die Notiz in einigen Schweizer Chroniken, im Jahre 1288 habe
in Bern ein Zweikampf zwischen einem Mann und einer Frau stattgefunden, bei dem
letztere den Sieg davontrug," " sowie die Illustration dieses Ereignisses in einer Hand-
schrift der Spiezer Chronik, auf der ein gewappneter Ritter von einem Edelfräulein in
üppigem, tief dekolletiertem Gewand rücklings auf den Boden gedrückt wird"", schei-
nen zu belegen, dass hier einzig die Freude an der Darstellung einer werkehrten Welt<
zum Ausdruck kommt; zumindest erscheinen das Geschlecht der Kombattanten und
der frappierende Ausgang der Auseinandersetzung weitaus überlieferungswürdiger
als der Anlass und der Verlauf des Zweikampfes. Und so sind die spärlichen Belege

1118 In der Chronistik handelt es sich hauptsächlich um einen in verschiedenen Schweizer Chro-
niken erwähnten, 1288 bei Bern ausgefochtenen Zweikampf, aus dem die Frau als Siegerin
hervorgeht; vgl. Justinger: Berner Chronik, Nr. 48, S. 29: Do man zaif MCCLXXX Vlll jar an dem
achtenden tag der Findeiinen tag, FescFacF ein Krampf an der matten an der stat, do nn des FiicFFo/s
mnre stat; nnd dampften ein/rowe nnd ein man mit einander, nnd tag die/rowe oh - Der Fall wird
auch in weiteren Chroniken überleifert; vgl. Cronica de Berno (a. 1288), S. 296: Anno Dom.
M"CC"l,XXXViii" dHeiiHm/Hit in Berno infer oirnm et mniierem in Vitt' Innocenfnm, sed mniier
preoainif; Anonyme Stadtchronik (a. 1288), Nr. 23, S. 330: So man zaif zwöifFMnderf achtzig nnd
acFf jar, am achtenden tag der Findiin nacF wienacFfen, waz ein Fampfze Fern an der matten, an der
stat da nn dez FiicFFo/s mnr stat, zwiiscFend einer/rowen nnd einem man, nnd tag die/row des Famp/s
oFen; vgl. Annales Colmarienses (a. 1288), S. 215: ln cim'tate Bernensi mniier oirnm oicisse nosci-
tnr in dne/io. - Dazu vgl. GRIMM: Rechtsalterthümer 2, S. 593; MEYER: Der gerichtliche Zwei-
kampf, S. 53.
1119 Vgl. FEHR: Recht im Bilde, S. 53-54 mit Abb. 42.
 
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