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Neumann, Sarah; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Der gerichtliche Zweikampf: Gottesurteil, Wettstreit, Ehrensache — Mittelalter-Forschungen, Band 31: Ostfildern, 2010

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https://doi.org/10.11588/diglit.34909#0199

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V. Wer? - Delinquenten und Kombattanten

des Wehrstandes. Ihr >Beruf<, das Waffenhandwerk, wird im Rückgriff auf die Stellver-
tretungsregelung ethisch-moralisch überhöht und zur Berufung stilisiert: Adel erweist
sich im erzählerischen Idealentwurf im Kampf für die gerechte Sache, den rechten
Glauben oder für eine Dame.

Y3 Wehrhaftigkeitsphantasien?

Die eben skizzierte Verbindung von Frauen- und Gottesdienst wird auch in mehr oder
minder belustigenden Bearbeitungen des Zweikampf-Motivs aufgegriffen, wenn näm-
lich der Kämpe im >frommen Kostüm<, verkleidet als Mönch""' oder Pilger/"^ auftritt
und die bedrängte Dame verteidigt. In diesen Fällen ist einerseits das Bestreben der
Verfasser zu erkennen, eine unerhörte Geschichte zu erzählen und gängige Zweikampf-
regeln zu durchbrechen, ist es Geistlichen doch verwehrt, im gerichtlichen Zweikampf
anzutreten.""'" Gleichzeitig macht dieses Spiel mit den Konventionen auch deutlich,
dass hier ein wahrer Gottesmann für die gute und gerechte Sache antritt. Humor und
Ernsthaftigkeit, Persiflage auf und Respekt vor dem dMg((M777 lassen sich kaum klar von-
einander scheiden, wie es auch in einer Reihe weiterer Kombattantenkonstellationen
der Fall ist. Erzählerische Entwürfe zum gerichtlichen Zweikampf arbeiten sich häufig
am Unmöglichen ab, überschreiten die im Recht vorgegebenen Grenzen und entwi-
ckeln phantastisch anmutende Wehrhaftigkeitsentwürfe, deren Entschlüsselung unab-
dingbar ist für ein vertieftes Verständnis des dMg((M777.

V.3.1 Antihelden: Juden im Zweikampf
Ist die Auseinandersetzung mit einem Heiden ein willkommenes Sujet, um die Stärke
und Überlegenheit des 777:'tes c?tn'sf7:777MS zu illustrieren, verläuft die Suche nach erzähle-
rischen Entwürfen zur Konfrontation von Christen und Juden nahezu ergebnislos, ob-
wohl oder auch gerade weil derartige Auseinandersetzungen keineswegs so fiktiv sind,
wie die literarischen Entwürfe zum gloriosen Sieg eines Christen über einen heidni-
schen Goliath. Denn das mittelalterliche Recht hält durchaus Anregungen zur erzähle-
rischen Gestaltung eines derartigen Zweikampfes bereit: Zwar wurde die Konzeption
der Gottesurteile in der jüdischen Rechtstradition abgelehnt.""'" Gleichwohl forderte die

1062 Vgl. Erle of Tolous, V. 1081-1128; Georg Wickram: Ritter Galmy, Kap. 55 (Wie Tier Ritter Ga&n/
i7777 edes 777 M77cires gestatt 7777't &T77 Marsciraictr trawp^ff :7777t 7777 oHag).
1063 Vgl. Loher und Maller, S. 94-95 (Loher verkleidet sich als Pilger um Zormeryn zu Hilfe zu
kommen); dazu BLOH: Ausgerenkte Ordnung, S. 378-381.
1064 Lür Geistliche galt der Grundsatz Servis Dei per 0777777a 077777i&MS ar777af:7ra777 polare vei p::g77are a;7t
:'77 exercit;7777 et 777 t:oste777 pergere 077777:770 prolü^mMS, zit. nach ScHWENTNER: Stellung der Kir-
che zum Zweikampf, S. 198. - Eine Differenzierung scheint jedoch auch in der Lrage des
Kampfrechts notwendig; denn es finden sich auch Belege, in denen ein Kleriker einen ge-
richtlichen Zweikampf persönlich ausficht; vgl. dazu Kap. 11.2.2.
1065 Von den alttestamentarischen Beispielen für Gottesurteile war im jüdischen Recht allein das
nach Num. 5, 11-31 entwickelte Bitterwasserordal (sotatr) bekannt, das jedoch nur bis ins
 
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