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Neumann, Sarah; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Der gerichtliche Zweikampf: Gottesurteil, Wettstreit, Ehrensache — Mittelalter-Forschungen, Band 31: Ostfildern, 2010

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https://doi.org/10.11588/diglit.34909#0156

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IV.3 Treubrüche: Verrat

155

IV.3.4 Sprachspiele?: Verratsvorwürfe und Kampfansagen
In den bereits skizzierten Fällen erscheint der Verratsvorwurf häufig als ein effektives
Instrument Misstrauen zu säen und auf diese Weise Konkurrenten auszuschalten. Er
wird also weniger als un-recht, sondern eher als un-sozial dargestellt. Als angemessene
Antwort auf den Verratsvorwurf muss das also vor allem als gesellschaftliche
Konvention gewertet werden, der mitunter schon durch das bloße Zweikampfgebot Ge-
nüge getan ist. Dies erscheint gerade in Debatten um die Rechtmäßigkeit von Verrats-
vorwürfen als wichtiges Element um die eigene Glaubwürdigkeit zu unterstreichen,
wie es eine Episode bei Jean Froissart, dem französischen Chronisten und Dichter des
14. Jahrhunderts,^ illustriert. Kurz nach der Krönung Richards II. nehmen die schotti-
schen Widerstände gegen die englische Herrschaft wieder zu. Henry Percy, Herzog von
Northumbria, versucht, die Lage zu beruhigen, doch seine Erfolge sind mäßig. Im Ok-
tober 1378 nehmen schottische Verbände mit Berwick kurzzeitig den zentralen engli-
schen Stützpunkt im Norden ein und es gelingt Henry Percy nur mit Mühe, die Stadt
zurück zu gewinnen. Im Februar 1379 wird mit dem Herzog von Lancaster, Johann von
Gent, einer der einflussreichsten Männer Englands nach Schottland geschickt, um für
Ruhe und Ordnung zu sorgen. Henry Percy wertet sein Vorgehen als Affront gegen
seine Herrschaftskompetenz im Norden und es kommt zu einem Zerwürfnis der bis
dato freundschaftlich verbundenen Männer. Seinen symbolischen Höhepunkt findet
die Auseinandersetzung der beiden, als Henry Percy im Sommer 1381 Johann von Gent
in Berwick gewissermaßen die Tür vor der Nase zuschlagen lässt^ und seinen Zutritt
zur Stadt davon abhängig macht, dass der König ihm die Vertrauenswürdigkeit des
Herzogs bescheinige.^ Dies kann Johann von Gent nicht auf sich beruhen lassen und so
stellt er Henry Percy nach einer Weile auf einem Hoftag in Westminster zur Rede. Sein
Hauptanklagepunkt ist: Percys Vorgehen sei in böswilliger Absicht erfolgt und stelle
einen Angriff auf seine Ehre dar, denn die Weigerung, ihn in die Stadt zu lassen, sugge-
riere, er habe sich in verräterischer Absicht genähert. Wegen dieser Schmach und um zu
beweisen, dass er eben gerade kein Verräter sei, fordere er einen Zweikampf.^ Zu dieser
Auseinandersetzung kommt es nicht; wieder einmal ist es der König, der einschreitet:'"

815 Vgl. HoEGES, Dirk: Art. >Jean Froissart<. In: Hauptwerke der Geschichtsschreibung, S. 199-203;
DERS.: >Froissart, Jean<. In: LexMA 4, Sp. 984-985.
816 Vgl. Jean Froissart: Chroniques 9, S. 424-425: Quant 11 diis de Eancastre/77 retoMimes d'Escoce en
Enyietiere, et ü ot remoMstre a?i roi/ et a son consed, comment ü aooit expioitie des tn'e:uces <7777 estotewt
pn'sses et accordees ewtre eMX et tes Escos, d nlw&iia wie comment / messires Matn'eMX Rademen, cappi-
tainne de Bendel?, <7770777776 11 esc?7sast ie ciieoaiiei; d aooit cios tes portes de Bendel? a?7 deoant, a?7 com-
mandement et ordenance do?7 conte de NortiiomFreiande, et <j??e ce jdit d ne pooit caddi/e?; f.. . J.
817 Vgl. dazu RosE: Kings in the North, S. 326-332, bes. S. 330-331; LoMAs: Fall of the House of
Percy, S. 53-56.
818 Vgl. Jean Froissart: Chroniques 9, S. 424-427 bes. S. 426: Ceste repones ne oo?7s pe??t exc?7ser, <p?e
oo?7s ne/es?'ss?'es mal et contre mon doMMe??r yrandeme??t, et donnies exempie et so?7pecdo?? de moi/ <7?7e je
ooioie jdire o?7 aaooit jdit a?7c?7ne trai'soM en Escoclie, <7?7ant a men reto??r on me clooit les tdiies de mon
siyne?7r et ceiie pr?dcd?'pa?7me??t o?7 terntes mes po?7n?eances estoient: po??r <77701/je di <7?ie 0077s 00s a<7?77-
tastes mal. Et poiir ie Hasme <7?ie 0077s m'eii/esistes et moipiirger e?? ia presence de mon siyne?7r <7?ie oeia,
je e?? jette mon yaye; or ie ieoes.
819 Dieses Kompositionsprinzip findet sich häufiger; vgl. z.B. den Bericht bei Thomas Walsing-
ham über Verhandlungen zwischen Richard II. und den Lords im Jahre 1387: Der Kanzler
führt aus, dass die Lords sich widerrechtlich versammelt hätten und dass der Grund für
diese Konspirationen geklärt werden müsse; daraufhin benennen die Lords eine Gruppe von
 
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