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Neumann, Sarah; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Der gerichtliche Zweikampf: Gottesurteil, Wettstreit, Ehrensache — Mittelalter-Forschungen, Band 31: Ostfildern, 2010

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.34909#0155

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IV. Warum? - Delikte und Konflikte

anzubieten/'' der ihm auch zugestanden wird. Er triumphiert. Gestärkt durch die heili-
ge Kommunion kann er seinem hünenhaften Gegner lange widerstehen und diesen just
in dem Moment überwinden, als er in gotteslästerlicher Weise behauptet, er werde
schon siegen, selbst wenn er nicht allein den Leib Christi, sondern auch noch den Teufel
zu sich genommen hätte/"
Caesarius von Heisterbach bestimmt die Funktion des ducHtu?! also vordergründig
als letzten Ausweg für den unschuldig Beklagten, der sich voll und ganz auf Gottes
Beistand verlassen kann. Bei genauerem Hinsehen wird jedoch deutlich, dass hier ne-
ben dem Gottesurteilsgedanken noch ein weiterer Aspekt zu berücksichtigen ist: Das
Zweikampfgebot ist für den Vasallen sicherlich die Ultimaratio. Es wirkt aber gleich-
sam als Erkennungszeichen auf den Kaiser, der ihm, dem Ar noA/is, sogleich attestiert:
Modo lo^Men's sz'cMf proA/s Ar/" Der Vasall beweist Mut, eine der zentralen ritterlichen
Tugenden, und wird somit vor den Augen des Kaisers satisfaktionsfähig, mehr noch:
Der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches und der Vasall teilen das gleiche Werte-
system, das seinen Fixpunkt in unbedingtem Gottvertrauen findet. Der eigentliche
Etappensieg in der Wiederherstellung der durch Verrat erschütterten Ordnung ist die
Wiederaufnahme der Kommunikation zwischen Kaiser und Vasall. Trügerische Ver-
sprechungen und Falschaussagen, die alle bestehenden Bindungen verletzt haben, wer-
den ersetzt durch aufrichtige Gelöbnisse; das Wort gewinnt wieder die notwendige
Verbindlichkeit.
Sind die geschilderten Fälle nun Belege für die Omnipräsenz von Gottes Gerech-
tigkeit, die tatkräftig auf den Ausschluss des Verräters aus der menschlichen Gesell-
schaft hinwirkt? Die Berichte von einem postum geheiligten Zweikampf-Opfer, von
einem geläuterten Verräter, der Mönch wird, und von einem schuldlos Beklagten, der
nur durch eigene Charakterstärke die Chance auf ein ducHtu?! erhält und seinen Gegner
überwinden kann, weil dieser sich im Gegensatz zu ihm besonders gottlos gebärdet,
belegen zunächst, dass den Erzählern kaum an einem »Gott wird's schon richten« im
Sinne der Gottesurteilstheorie gelegen ist. Ihre erzählerischen Entwürfe zum Zusam-
menhang von Verrat, Zweikampf und dem Willen Gottes sind weitaus komplexer: Zum
einen fordern sie eine klare Rückbindung der Gesellschaft bzw. ihrer Führungselite im
Metaphysischen ein, zum anderen sind sie bemüht, den Verratsvorwurf und den Zwei-
kampf in ihrer Abhängigkeit von und Bedeutung für diese Gesellschaftsschicht durch-
sichtig zu machen, für die der Zweikampf nicht allein zu den anerkannten Rechtsmit-
teln, sondern auch zum >guten Tom gehört.

812 Vgl. Caesarius von Heisterbach: Dialogus miraculorum 2, Nr. 48, S. 203: CMmyMe vir noMis ve-
nisset M timen paiatii, sciens ionyas ReyAns esse manns, Staus et ap:A se AiAerans, reA'it M AAcAm,
Acens; Domine, non possnm e^Ayere manns vestras; tantnm praesMmo A mea innocentia et Dei miseri-
corA'a, Mt in Astawti paratns sim me A/en Are secnnA^m <?M<A Astitia Actaverit. Et cnm sim noA'iis,
Art meo ceA.
813 Caesarius von Heisterbach: Dialogus miraculorum 2, Nr. 48, S. 204: f...J pnyit ciara voce ait aci
mititem: Die mAi comeA'sti aApnA EoA'e? ResponAnte iiio, etiam, corpns DomAi mei comeA; miser
iiie sM&Anxit.' Etiam si AaMMm comeA'sses, EoA'e te prosterwam. Dt antem pAs DomAMS sacramenti
virtMtem osten Aret, mox post ver&a MaspEemiae vires AaspEemo sM&traxit, et sMMm mititem aAo roEo-
ravit, Mt ittnrn coram se mAaret Mt pnernm, nee stare posset.
814 Caesarius von Heisterbach: Dialogus miraculorum 2, Nr. 48, S. 203.
 
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