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Neumann, Sarah; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Der gerichtliche Zweikampf: Gottesurteil, Wettstreit, Ehrensache — Mittelalter-Forschungen, Band 31: Ostfildern, 2010

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https://doi.org/10.11588/diglit.34909#0093

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92

III. Wie? - Regelwerke und Verlaufsprotokolle

111.2 Verlauf sprotokolle

Der eben skizzierte Entwurf zum Ablauf des gerichtlichen Zweikampfes ist eine (juris-
tische) Idealvorstellung. Formuliert im Glauben an die Funktionsfähigkeit klarer Vor-
schriften, zeichnet sich in ihr gleichwohl das Bewusstsein für die permanente Gefähr-
dung der als verbindlich deklarierten Normen ab. Regeln und Regelverstöße sind zwei
Seiten einer Medaille und können insbesondere im erzählerischen Entwurf gleicherma-
ßen zur Illustration von Funktion und Bedeutung des dudhuH beitragen. Es bleibt daher
zu fragen, welche Elemente des idealtypischen Procederes, welche Regeln und Regel-
verstöße in Dichtung und Chronistik für die Darstellung des gerichtlichen Zweikamp-
fes aufgegriffen und bearbeitet werden. Dabei kann es jedoch nicht darum gehen, den
juristischen Gehalt von Dichtung und Chronistik zu überprüfen, alle rechtlichen De-
tails aufzulisten und >korrekte< von fehlerhaftem Darstellungen zu scheiden. Vielmehr
soll an dieser Stelle geklärt werden, inwiefern der skizzierte Charakter des dudiMyn als
Rechtsmittel, als Sakralhandlung oder als Wettkampf in den erzählerischen Entwürfen
beibehalten, transformiert oder verworfen wird und welche Rolle Regeln und Regelver-
stößen dabei zugedacht ist. Da an dieser Stelle nicht jede erzählerische Leistung in ihrer
Originalität gewürdigt werden kann, werden im Folgenden ausgewählte Fallbeispiele
diskutiert, die in vielen Punkten typische Verlaufs- und Erzählmodelle für ein dMdüun
bieten.

111.2.1 Fallstudie 1: Triumph der Gerechtigkeit?
Der schottische Chronist John Fordun zeichnet in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhun-
derts, also kurz nach den schottischen Unabhängigkeitskriegen, die Geschichte seines
Landes auf/" ' In seinem Werk berichtet er auch über einen gerichtlichen Zweikampf,
der während der Regierung des englischen Königs Wilhelm I., also Ende des 11. Jahr-
hunderts, ausgetragen worden sein soll. Kurz gefasst passiert Folgendes/^ Der Englän-
der Orgar verleumdet den ehemaligen angelsächsischen Thronprätendenten Edgar
/Etheling als Verräter gegenüber Wilhelm dem Eroberer, weil er auf diese Weise seine
Position beim Herrscher zu verbessern hofft/"' Die Klage kann nicht anders als durch
einen gerichtlichen Zweikampf entschieden werden - couso superno Judicz co/n/niüiüuU''
d.h. Gott selbst wird der Fall überantwortet. Der englische Ritter Godwin von Winton
erklärt sich bereit, den Kampf für Edgar zu übernehmen und tritt gegen Orgar an. Die
Auseinandersetzung der beiden ist hart, doch letztlich wird der Kläger als der eigentli-

423 Vgl. zu Autor und Werk BARROW, Geoffrey W. S.: Art. fordun, John<. In: LexMA 4, Sp. 633-
634.
424 Vgl. John Fordun: Chronica V.22-23, S. 220-222.
425 Vgl. John Fordun: Chronica V.22, S. 220: f.. J miies ^nidem deyener Angiicns, Oryarns nomine, yra-
inm exdiFere se reyi ooiens, conoenit, cainmpnians enndem ciitonem Edyarnm.
426 John Fordun: Chronica V.22, S. 221.
 
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