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Neumann, Sarah; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Der gerichtliche Zweikampf: Gottesurteil, Wettstreit, Ehrensache — Mittelalter-Forschungen, Band 31: Ostfildern, 2010

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https://doi.org/10.11588/diglit.34909#0185

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V. Wer? - Delinquenten und Kombattanten

Verwandtschaft der Streitparteien möglich, da hier aus ethischen Gründen keine bluti-
ge Auseinandersetzung vor Gericht gerechtfertigt istV Außerdem müssen nicht-waf-
fenfähige Personen, d. h. Frauen, Geistliche und Juden, ihre Sache durch einen Vertreter
austragen lassen (sog. natürliche Stellvertretung).^ Darüber hinaus kann bei fortge-
schrittenem Alter'" und im Krankheitsfall die sog. gewillkürte Stellvertretung in Kraft
treten. Zum anderen umfasst das Prinzip der Kampfesstellvertretung jedoch die sog.
unechte Stellvertretung, bei der ein zum Kampf berechtigter und auch befähigter Mann
die persönliche Auseinandersetzung ablehnt und stattdessen den Waffengang gegen
Bezahlung von einem Vertreter ausführen lässt, sich also von der persönlichen Kamp-
fesverpflichtung freikauftA Die Rechtsgeschichte bereitet demnach mit der Unter-
scheidung von berufsmäßigen und freiwilligen Kampfesstellvertretern auch einem dif-
ferenzierten Verständnis der Stellvertretung - einerseits als Amt, andererseits als
Dienst - den Boden. Es bleibt daher zu fragen, ob und wie diese beiden Aspekte in er-
zählerischen Modellen zum Stellvertreterzweikampf akzentuiert werden.

V.2.1 Zwischen Amt und Abwertung: Lohnkämpfer
Kg7npg72 M77& 77* Uü&ü speHüde, M77& Tide die M77ec?7f gefwg77 S777, f.. J, die S777 Tide recdfeZos.^ So
heißt es im Sachsenspiegel zum sozialen Status der für den Stellvertreterzweikampf
notwendigen Lohnkämpfer. Die Professionalisierung dieser CTi7üpzo7ies setzt bereits im
Lrühmittelalter ein, denn schon die germanischen Stammesrechte sehen die Kamp-
fesstellvertretung vor.''*' Eine jüngere Entwicklung ist dagegen die Rechtlosigkeit, die
diesem Berufsstand im Sachsenspiegel attestiert, jedoch nicht weiter begründet wird.^

Select Pleas 1, Nr. 126, S. 80-82 (o. J.). - Als Argument für den Einsatz von Lohnkämpfern
wurde dagegen darauf verwiesen, dass bei zwei gleichermaßen routinierten Kombattanten
eher von Chancengleichheit zu sprechen sei; vgl. NoTTARP: Gottesurteilstudien, S. 302-303
(mit dem Hinweis auf Missbräuche).
971 Vgl. z. B. Sachsenspiegel Landrecht 1.63 §3: Ka777 p7's 777acd oucd ei/77 777^77 S7777e 777age &euv7V77, sie
&ei/de S777 C 777age S777, desfe der daz sed?e sede77de gewere 77pde77 ded7ge77, daz se aise 77a 777age S777, daz se
durcd recdf Z77 sa777 e77e 777'cdf oecdfe77 77c sode77. - Diesem rechtsgeschichtlichen Befund steht der
Rückgriff auf das erzählerische Motiv des Verwandtenzweikampfes gegenüber; vgl. Kap. V.3.2.
972 Vgl. zu den erzählerischen Gegenentwürfen Kap. V.3.
973 Vgl. z. B. MAiTLAND: Select Pleas 1, Nr. 19, S. 7-8 (a. 1201): f.. J RegAaddis opfert prodare per <777^77-
da777 dder77777 1707777776 777 AAaid 77777/7'da777 S77a 777 dadef 777 77XOre777 pro 60 deS7C77f 7pse fra77S7Ü7f efafe777 A.
a77770r 77777.
974 NoTTARP, Gottesurteilstudien, S. 298.
975 Sachsenspiegel Landrecht 1.38 § 1.
976 Hier lässt sich der Bogen zu den antiken Gladiatoren schlagen. Zu bezweifeln ist allerdings,
dass die Kontinuitäten so ungebrochen fortbestehen wie KuHN: Kämpen, S. 218, glaubt.
977 Dem Rechtsvokabular des Lrühmittelalters sind diese Termini noch fremd; eindeutige Hin-
weise auf eine sozial und rechtlich geminderte Stellung der Kämpen liegen für die Lrühzeit
nicht vor. Aus dem mit De iro777 7 777'&77s, <7777 sAe co777pos7f7077e occidi poss7777f überschriebenen Tit. V
der Lex Lrisionum, die darunter zuerst den ca777 p70 nennt, hat man zunächst geschlossen, der
professionelle Kampfesstellvertreter gehöre der untersten Gesellschaftsschicht an; vgl. Du
CANGE: Glossarium s.v. >campiones<, S. 61 (Er bezeichnet sie als »homines infimae conditio-
nis«); BRUNNER: Deutsche Rechtsgeschichte 2, S. 777 Anm. 52; KuHN: Kämpen, S. 219. - Lür das
Spätmittelalter ist zu diskutieren, ob die den Schaukämpfern zugestandene Schattenbuße
eher Zeichen für Integration oder Ausgrenzung ist; vgl. BRANDHORST/HERGEMÖLLER: Spiel-
leute, S. 175.
 
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