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Neumann, Sarah; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Der gerichtliche Zweikampf: Gottesurteil, Wettstreit, Ehrensache — Mittelalter-Forschungen, Band 31: Ostfildern, 2010

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https://doi.org/10.11588/diglit.34909#0089

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III. Wie? - Regelwerke und Verlaufsprotokolle

abergläubische Praktiken entsprechend zu ahnden/^ mag es im Einzelfall die Nacht-
wache in der Kirche, eine Messe vor Beginn des Kampfes, die Segnung der Waffen^
und der Kombattanten gegeben haben. " Das entscheidende Element, das den gerichtli-
chen Zweikampf (auch) in der Sphäre des Sakralen verortet, sind jedoch die Eide, die
bereits zu Beginn des Verfahrens und nach einem letzten gescheiterten Sühneversuch
auch unmittelbar vor dem Kampf abgelegt werden mussten."" Aufgrund dieser Eides-
leistungen ergaben sich für denjenigen, der im Kampf unterlag, zum einen gravierende
Konsequenzen hinsichtlich des Strafmaßes: Er wurde nicht nur des Delikts für schuldig
befunden, das am Anfang der gerichtlichen Auseinandersetzung stand, sondern er galt
zudem des Meineides überführt, und entsprechend der Schwere dieses Kapitalverbre-
chens fiel dann auch das Strafmaß aus."" Zum anderen wird mit einer Eidesleistung bei
Gott und den Heiligen die himmlische Gerechtigkeit als Kontroll- und auch als Straf-
instanz heraufbeschworen und auf diese Weise der irdische Rechtsstreit im Metaphysi-
schen verankert. Das Diesseits wird in der Eidesleistung mit dem Jenseits verbunden;
Zeit und Raum sind für einen kurzen Moment aus den Fugen. Der folgende Zweikampf
wird damit als eine Ausnahmesituation markiert, die nicht beliebig oft wiederholt wer-
den kann, ohne an Glaubwürdigkeit einzubüßen. Genau dies prägt den Charakter einer
Sakralhandlung."* Diese Einmaligkeit in Kombination mit den aufgezeigten retardie-
renden Momenten bei der Durchführung des macht es insgesamt zu einem
Phänomen »von barmherziger Langsamkeit. Es ließ Raum für Manöver und für die
Entwicklung einer Situation.«""

111.1.3 Die Regeln des Fair play: der Zweikampf als Wettstreit
Scheiterten die angeführten Bemühungen, das Zweikampfverfahren zu entschleunigen
und die Parteien auf diese Weise zum Einlenken zu bewegen, griffen im Kampf selbst
zahlreiche, dem Wettkampfgedanken verpflichtete Regeln, die insgesamt dazu ange-

397 Bereits die Decrefa lassüonis aus dem 8. Jahrhundert sehen hohe Geldstrafen vor für den Ge-
brauch von Zaubermitteln oder sonstigem Aberglauben beim dMe/dun; vgl. Lex Baiuvariorum/
Decreta Tassilonis 4, Nr. 4: De pMgna dnorMm <?Mod wedadinc vocafMr, Mt pnüs non sorfianfMr, <jHam
parafi stuf, ne/orfe carminidns oei macdinis diadod'cis, oei mayicis arfidMS insidiantnr. Vergleichbare
Anordnungen finden sich im Edictus Rothari, Tit. 368. - Ein Bericht über einen Zweikampf,
der 1028 in Angouleme stattfand, verweist darauf, dass einer der beiden Kämpen de ma/e/ica-
fMS a <j:uÜMsdam incanfaforidMS et tpadRsdam pofionidns derdarnm inifiafMs; zit. nach PL 157 col. 141.
- 1355 soll ein Zweikampf von Kämpen Entscheidung im Streit des Bischofs von Salisbury mit
dem Earl von Salisbury liefern, doch der Kämpe des Geistlichen ist präpariert mit Zetteln, auf
denen Gebete und Segensformeln stehen; vgl. den Hinweis bei RussELL: Trial by Battle, S. 114.
398 Vgl. dazu den Hinweis bei FRANZ: Kirchliche Benediktionen 2, S. 307-398 und bei LiEBER-
MANN: Gesetze der Angelsachsen 1, S. 430-431.
399 Vgl. auch die Hinweise für den französischen Bereich bei CoHEN: Crossroads, S. 57.
400 Vgl. Sachsenspiegel Landrecht I 63 §4: Vor den ricdfere soden se deide yeyerwef yan Hnde sweren,
der ei/ne; daz de scd:df war st, da der ine nm deciayef daf, Hnde die andere: daz der Mnscd:ddicd si, daz yn
yof so deipde zn yrme campde.
401 Vgl. zum Stellenwert des Eides ERLER, Adalbert/KoRNBLUM, Udo/DiLCHER, Gerhard: Art.
>Eid<. In: HRG 1, Sp. 861-870.
402 Vgl. ScHMOECKEL: Humanität und Staatsraison, S. 249.
403 BROWN: Gesellschaft und das Übernatürliche, S. 71 (Der Autor charakterisiert mit diesen Wor-
ten das Ordal im Allgemeinen).
 
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