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Neumann, Sarah; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Der gerichtliche Zweikampf: Gottesurteil, Wettstreit, Ehrensache — Mittelalter-Forschungen, Band 31: Ostfildern, 2010

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https://doi.org/10.11588/diglit.34909#0149

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IV. Warum? - Delikte und Konflikte

IV.3.3 Gerechtigkeitsphantasien: Verrat, Zweikampf und der Wille Gottes
Thietmar, Bischof von Merseburg, geht in seinem Zweikampfbericht zum Jahr 979 auch
auf diese Problematik einf" Gero, Graf des Nordthüringgaus, wird von einem gewissen
Waldo der Untreue''" beschuldigt und muss gegen den Kläger im gerichtlichen Zwei-
kampf antreten/^ Gero wird von seinem Gegner überwunden, doch unmittelbar nach
dem Ende des Kampfes bricht dieser tot zusammen. Das Schicksal des Grafen ist trotz
dieses ungewöhnlichen und denkwürdigen Umstands besiegelt; er wird schuldig ge-
sprochen und am 11. August 979 enthauptet. Thietmar kommentiert diese Episode zu-
nächst nicht, übermittelt aber die Reaktion der Reichsfürsten: Die Entscheidung des
Kaisers habe scharfe Kritik hervorgerufen; einige hätten ihm vorgeworfen, ein übertrie-
ben hartes Urteil über einen herausragenden Mann gesprochen zu habenV Hier wird
also die mangelnde z'udMlgeufM Ottos II. beklagt, ihm damit eine klassische Herrscher-
tugend abgesprochen und somit auch seine Herrschaftskompetenz in Frage gestellt.
Thietmar, dessen Geschichtswerk vor allem die Geschichte seines Bistums Merseburg
nachzeichnen soll/^ geht mit seiner Kritik an dem Kaiser, der eben dieses Bistum im
Jahre 981 wieder aufgehoben hat, sogar noch weiter und stellt fest, der Kampf habe al-
lein Erzbischof Adalbert und Markgraf Dietrich behagt,"' die bereits für die Festnahme
Geros verantwortlich waren. Die politischen Akteure und ihre Absichten sind also auch
in diesem Fall von größter Bedeutung für das dMe/hu?!. Es erscheint als ein Instrument
der politischen Eliten und wird damit anfällig für Fehlentscheidungen und Fehlinter-
pretationen. Es ist genau diese zunehmende >Verweltlichung< des gerichtlichen Zwei-
kampfes, nicht seine Anwendung als solche, gegen die sich Thietmar von Merseburg
wendet/^ Er deutet durch seine erzählerische Komposition der Ereignisse an, dass Wal-

767 Vgl. Thietmar von Merseburg: Chronik 111.9, S. 106/107-108 und die davon abhängigen und
weitgehend deckungsgleichen Einträge in den Annales Magdeburgenses (a. 979), S. 154 (Aus-
gelassen ist die Episode über die Vision Bf. Liudolfs) und bei Annalista Saxo: Reichschronik (a.
979), S. 226-227. - Vgl. dazu UmiRz: Jahrbücher des Deutschen Reiches, S. 124-125.
768 Thietmar nennt den Grund der Anklage nicht; erst die späteren Bearbeitungen sprechen von
dr/idddas.
769 Vgl. Thietmar von Merseburg: Chronik 111.9, S. 107: Accasafas apad imperaforem Gero comes a
Wafdoae et in foco, f.. J, dorfafa Afefderü arcdipresads et Diderici marcdioais capfas, f.. J.
770 Vgl. Thietmar von Merseburg: Chronik 111.9, S. 108: f.. J; correpfaspae esf dapendor ad Offoae Ba-
oan'oram dace, Idadaf/i'/dio, eodem die oeaieafi, et a coaa'fe Berfoido, paod od tarn ödem caasam faafas
od aarpaaar daaraan dedaz'ssef. - Die Aaaafes Hddesdedaeases lassen keinen Zweifel an der Un-
treue Graf Geros, es bleibt jedoch auch hier die >Unstimmigkeit<, dass sie sich gegenseitig getö-
tet haben; vgl. Annales Hildesheimenses (a. 979), S. 23: la/fdefdas Geroafs eomdis per Wa/doaera
padd'cafa esf; aade et ipsi extra cda'fafem Magadadarg in campo drxfa Afddaa ddaicaafes, ad iaoicem
dder/ecfi saaf; et ad addaam ia/ided'fafis reas Gero comes decodafas esf. - Vgl. auch die relativ wort-
getreue Übernahme dieser Notiz in den Annales Altahenses (a. 979), S. 14: la/fdefdas Geroafs
coaa'fis per Wafdoaem padd'cafar, aade ipsi Magadadarc, graoe daedam fafersereafes, amdo procadae-
raaf.
771 Vgl. zur ersten Orientierung JoHANEK, Peter: Art. Thietmar von Merseburgc In: Hauptwerke
der Geschichtsschreibung, S. 632-636, hier bes. S. 634.
772 Vgl. Thietmar von Merseburg: Chronik 111.9, S. 108: Haec pagaa aado rdsi faafara arediepiseopo
Aefdefderfo ef Tdiedrico pfacad marcdioai; f.. J.
773 Der Chronist greift in seinem Werk häufiger auf den Gedanken zurück, Zweikampf und
Schlacht seien als Gottesurteil zu verstehen und dienten der Gerechtigkeit; vgl. z.B. Thietmar
von Merseburg: Chronik 11.39 (Graf Brukhard überwindet Cono, der die Tochter Ottos I. des
Ehebruchs bezichtigt hat, im daedaar), V.13 und VII.62 (Schlacht als fadfcfam pagaae).
 
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