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Neumann, Sarah; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Der gerichtliche Zweikampf: Gottesurteil, Wettstreit, Ehrensache — Mittelalter-Forschungen, Band 31: Ostfildern, 2010

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https://doi.org/10.11588/diglit.34909#0017

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16

I. Einleitung

den und überdies fernab von Deutschland, nämlich »in der Heimat des Ritters von der
traurigen Gestalt, dem nach Cervantes' Versicherung das >Gehirn ausgetrocknet< war.<A
Dennoch: Die Zahl der Befürworter einer Kontinuitätsthese überwog. Strittig blieb al-
lein die Frage, ob das Verbindungsglied zwischen mittelalterlichem und neu-
zeitlichem Ehrenduell nicht doch eher in den Auseinandersetzungen im Fehde- und
Turnierwesen zu finden sei als im gerichtlichen Zweikampf. Communis opinio war
dagegen sowohl bei Duellanhängern und Duellgegnern des 19. und 20. Jahrhunderts,
dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dMdüuH und Duell bestehe: Die Neu-
zeit wurzelte im Mittelalter; das Ehrenduell musste auf diesem Nährboden erwachsen
sein (wo immer er auch zu lokalisieren war). Die Geschichte des gerichtlichen Zwei-
kampfes liefert damit Stoff für eine großartige Fabel, die den Epochengrenzen wenig,
der Ehre immer mehr Beachtung schenkt - ohne dass der Inhalt dieses Begriffes weiter
präzisiert oder kontextualisiert würde. Wichtig scheint allein, die >GeburtsstundeA
dieses diffusen Begriffes zu verzeichnen, das dazu in Bezug zu setzen und es
somit als eine Etappe auf dem Weg zur Moderne zu interpretieren. So bemühen sich
auch zahlreiche neuere Arbeiten zunächst in einigen knappen Bemerkungen um die
Wurzeln des neuzeitlichen Duells und unterstellen damit bewusst oder unbewusst eine
(chrono)logische Entwicklungsgeschichte, die vom irrationalen Gottesurteil zum Eh-
renzweikampf der Neuzeit führt und dem Mittelalter einmal mehr die Rolle des Steig-
bügelhalters für die Moderne zuweistA Dies scheint zweifellos zu kurz gegriffen, er-
weist sich doch der gerichtliche Zweikampf bei einem genaueren Blick auf das
Mittelalter als ein sehr wandlungsfähiges Phänomen.

E2.3 Verortung im Rechtssystem
Vertiefte Einsicht in die Wandlungsfähigkeit des Gerichtszweikampfes versprach sich
die Forschung zunächst - dem allgemeinen Trend historischer Schulen folgend - durch
die minutiöse Aufarbeitung der rechtlichen Bestimmungen zu Anwendung und Ver-
lauf des Gerichtszweikampfes. In welchem rechtlichen Rahmen bewegte er sich? Wel-
chen Regeln sollte er idealiter folgen? Diesen Leitfragen widmeten und widmen sich
zahlreiche rechtsgeschichtliche Spezialuntersuchungen zum gerichtlichen Zweikampf,
die den Betrachter zunächst in den Bereich des mittelalterlichen Beweisrechts führen
und damit eine unverzichtbare Grundlage für alle weiteren Untersuchungen schaffen:
Dank der sorgfältigen Aufarbeitung regionaler und teils auch lokaler beweisrechtlicher
Besonderheiten, kann auch das akkurat nach Zeit, Raum und Geltungsbereich
im Rechtssystem verortet und in Bezug gesetzt werden zum allgemeinen Rechtsver-
ständnis der Zeit.^ Dabei wird deutlich, dass zwei Formen des gerichtlichen Zwei-

25 BELOw: Duell und germanischer Ehrbegriff, S. 30-31.
26 Vgl. z. B. den programmatischen Titel von MoRREL: Fin du duel judiciaire.
27 Vgl. BALDiCK: The Duel; CAViNA: Duello giudiziario, S. 5-50; FREVERT: Ehrenmänner, S. 24-27;
KiERNAN: Duel in European History; WALTER: Duell in Bayern, S. 12-19. - Eine der wenigen
Ausnahmen ist die Arbeit von PELTONEN: Duel in early modern England.
28 Vgl. zum mittelalterlichen Beweisrecht die Sammelbände La Preuve und L'aveu; CAENEGEM:
Law of Evidence; WERKMÜLLER: Per pugnam probare. - Für die Stellung des gerichtlichen
Zweikampfes im Rechtssystem ist besonders hinzuweisen auf das gewichtige und detaillierte
Werk von LEVi: Duello giudiziario, das in neueren Arbeiten häufig keine Erwähnung findet;
 
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