56
II. Wo? - Gerichtshoheiten und Schauplätze
Dem Handelsreisenden wird Beweiserleichterung zugesprochen, d.h. er wird vom
Zweikampf oder vom Gottesurteil befreit und kann sich durch Eineid von den erhobe-
nen Vorwürfen reinigen.^ Die Hintergründe dieser Bestimmungen bilden jedoch keine
veränderten Werthaltungen, sondern pragmatische Erwägungen: Ein Kaufmann ist für
die reibungslose Abwicklung seines Handelsgeschäftes auf ein hohes Maß an Mobilität
angewiesen; langwierige Gerichtsverfahren sind seinen Transaktionen abträglich. Der
gerichtliche Zweikampf funktionierte aber gerade nicht als Eilentscheidung, sondern
war ein umständliches Hin und Her mit vielen formaljuristischen Extras, die ihre Zeit
brauchten.^ Überspitzt gesagt: Selbst ein Sieg im dMclhüT! hätte den Kaufmann nicht vor
dem Ruin bewahren können; am Ende des Zweikampfes wäre nur noch Konkursmasse
zu verwalten gewesen. Beweiserleichterung diente also vor allem dem Zweck der Ver-
fahrensbeschleunigung und ist keinesfalls der mangelnden Schlagkraft der Handels-
leute geschuldet, die auf ihren Reisen permanent Gefahren ausgesetzt waren und auch
im Waffenhandwerk entsprechend versiert sein mussten. Darüber hinaus war der Han-
delsreisende ein Fremder, für dessen Integrität kaum ein Bürge schwören, geschweige
denn ein Kampfesstellvertreter in die Schranken hätte treten wollen. Ein weiterer Ge-
sichtspunkt für die Sonderregelungen im Handelsrecht liegt also in der Notwendigkeit,
dem Fernhandelskaufmann Rechtssicherheit bei der Abwicklung seiner Geschäfte zu
verbriefen und so seinen turnusmäßigen Aufenthalt am jeweiligen Handelsplatz zu ge-
währleisten. Denn es handelte sich ja bei dieser privilegierten Gruppe um gern gesehe-
ne Besucher, deren Aufenthalt nicht nur ihnen zum Vorteil gereichte, sondern auch die
Prosperität des Handelsortes förderte und wichtige Waren und Rohstoffe zugänglich
machte. Spätestens seit diese Gruppen tatsächlich als genossenschaftlich organisierte
Gildekaufleute operierten, werden sich die Möglichkeiten gegenüber den Städten eige-
ne Interessen - zu denen zweifellos auch die Beweiserleichterung zählt - durchzuset-
zen, noch verbessert haben. Um also die ungehinderte Entfaltung und den Aufschwung
des Wirtschaftslebens zu sichern, war es für alle Beteiligten erstrebenswert, verbindli-
che Regelungen zu finden.
Die Bemühungen um verbindliche Regelungen sind besonders deutlich an städti-
schen Verträgen abzulesen: Angesiedelt in einer Übergangszone zwischen Handels-
und Stadtrecht, illustrieren diese Dokumente außerordentlich gut, wie sehr Kaufleute
und Stadt im gemeinsamen ökonomischen Interesse oftmals an einem Strang zogen.
Nur ein Beispiel: 1178 schließt die Stadt Köln einen Vertrag mit Verdun, und zwar im
Interesse derjenigen, die zwischen Verdun und Köln hin- und herreisenr^ Dieser Ver-
trag ist also auf die Bedürfnisse von Kaufleuten zugeschnitten. Erklärtes Ziel dieser
Vereinbarung ist es, pox und C077 C07V?M für die Reisenden zu stiften. Ein Befriedungspro-
gramm soll ins Werk gesetzt werden, das die Grundvoraussetzung für Handel und
Wandel liefert.^" Die Stadt Köln signalisiert daher auch Entgegenkommen auf dem Ge-
biet des Beweisrechts und so rangiert direkt an zweiter Stelle des Vertrages die Zusage,
227 Beispielsweise ordnet Friedrich Barbarossa im Messeprivileg für Duisburg von 1173 an, dass
es niemandem erlaubt sei, einen flandrischen Kaufmann zum Zweikampf zu fordern. Sollte
dieser mit einem Klagevorwurf konfrontiert werden, so sei es ihm gestattet, sich durch Eineid
davon zu reinigen; vgl. Aachener Urkunden, Nr. 249, S. 537-539, hier S. 539: Ne7770 mercaiorem de
Fdwdn'a dMedo provocaFd; sed si <pu'd 777 CM777 daFef dicere, H7ra777 g77f:7777 dä'Ms a&s<p7g vara recipiaf.
228 Vgl. dazu Kap. III.
229 Vgl. EFHU 1, Nr. 85, S. 145-146.
230 ENNEN: Europäische Stadt, S. 111.
II. Wo? - Gerichtshoheiten und Schauplätze
Dem Handelsreisenden wird Beweiserleichterung zugesprochen, d.h. er wird vom
Zweikampf oder vom Gottesurteil befreit und kann sich durch Eineid von den erhobe-
nen Vorwürfen reinigen.^ Die Hintergründe dieser Bestimmungen bilden jedoch keine
veränderten Werthaltungen, sondern pragmatische Erwägungen: Ein Kaufmann ist für
die reibungslose Abwicklung seines Handelsgeschäftes auf ein hohes Maß an Mobilität
angewiesen; langwierige Gerichtsverfahren sind seinen Transaktionen abträglich. Der
gerichtliche Zweikampf funktionierte aber gerade nicht als Eilentscheidung, sondern
war ein umständliches Hin und Her mit vielen formaljuristischen Extras, die ihre Zeit
brauchten.^ Überspitzt gesagt: Selbst ein Sieg im dMclhüT! hätte den Kaufmann nicht vor
dem Ruin bewahren können; am Ende des Zweikampfes wäre nur noch Konkursmasse
zu verwalten gewesen. Beweiserleichterung diente also vor allem dem Zweck der Ver-
fahrensbeschleunigung und ist keinesfalls der mangelnden Schlagkraft der Handels-
leute geschuldet, die auf ihren Reisen permanent Gefahren ausgesetzt waren und auch
im Waffenhandwerk entsprechend versiert sein mussten. Darüber hinaus war der Han-
delsreisende ein Fremder, für dessen Integrität kaum ein Bürge schwören, geschweige
denn ein Kampfesstellvertreter in die Schranken hätte treten wollen. Ein weiterer Ge-
sichtspunkt für die Sonderregelungen im Handelsrecht liegt also in der Notwendigkeit,
dem Fernhandelskaufmann Rechtssicherheit bei der Abwicklung seiner Geschäfte zu
verbriefen und so seinen turnusmäßigen Aufenthalt am jeweiligen Handelsplatz zu ge-
währleisten. Denn es handelte sich ja bei dieser privilegierten Gruppe um gern gesehe-
ne Besucher, deren Aufenthalt nicht nur ihnen zum Vorteil gereichte, sondern auch die
Prosperität des Handelsortes förderte und wichtige Waren und Rohstoffe zugänglich
machte. Spätestens seit diese Gruppen tatsächlich als genossenschaftlich organisierte
Gildekaufleute operierten, werden sich die Möglichkeiten gegenüber den Städten eige-
ne Interessen - zu denen zweifellos auch die Beweiserleichterung zählt - durchzuset-
zen, noch verbessert haben. Um also die ungehinderte Entfaltung und den Aufschwung
des Wirtschaftslebens zu sichern, war es für alle Beteiligten erstrebenswert, verbindli-
che Regelungen zu finden.
Die Bemühungen um verbindliche Regelungen sind besonders deutlich an städti-
schen Verträgen abzulesen: Angesiedelt in einer Übergangszone zwischen Handels-
und Stadtrecht, illustrieren diese Dokumente außerordentlich gut, wie sehr Kaufleute
und Stadt im gemeinsamen ökonomischen Interesse oftmals an einem Strang zogen.
Nur ein Beispiel: 1178 schließt die Stadt Köln einen Vertrag mit Verdun, und zwar im
Interesse derjenigen, die zwischen Verdun und Köln hin- und herreisenr^ Dieser Ver-
trag ist also auf die Bedürfnisse von Kaufleuten zugeschnitten. Erklärtes Ziel dieser
Vereinbarung ist es, pox und C077 C07V?M für die Reisenden zu stiften. Ein Befriedungspro-
gramm soll ins Werk gesetzt werden, das die Grundvoraussetzung für Handel und
Wandel liefert.^" Die Stadt Köln signalisiert daher auch Entgegenkommen auf dem Ge-
biet des Beweisrechts und so rangiert direkt an zweiter Stelle des Vertrages die Zusage,
227 Beispielsweise ordnet Friedrich Barbarossa im Messeprivileg für Duisburg von 1173 an, dass
es niemandem erlaubt sei, einen flandrischen Kaufmann zum Zweikampf zu fordern. Sollte
dieser mit einem Klagevorwurf konfrontiert werden, so sei es ihm gestattet, sich durch Eineid
davon zu reinigen; vgl. Aachener Urkunden, Nr. 249, S. 537-539, hier S. 539: Ne7770 mercaiorem de
Fdwdn'a dMedo provocaFd; sed si <pu'd 777 CM777 daFef dicere, H7ra777 g77f:7777 dä'Ms a&s<p7g vara recipiaf.
228 Vgl. dazu Kap. III.
229 Vgl. EFHU 1, Nr. 85, S. 145-146.
230 ENNEN: Europäische Stadt, S. 111.