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II. Wo? - Gerichtshoheiten und Schauplätze
richtsherr hätte sich einer Reihe von Verpflichtungen zur Absicherung eines kompli-
zierten Verfahrens ledig wissen können. Die Einbußen für den Gerichtsherrn müssen
also in einem anderen Bereich, auf einer weniger materiellen Ebene gelegen haben: Es
scheint, das Duellrecht spielt eine entscheidende Rolle in der Entwicklung des seigneu-
rialen Selbstverständnisses; die Standesehre diktiert das Festhalten am gerichtlichen
Zweikampf.**"
An der Frage nach der Teilnahme am Duell scheiden sich jedoch die Geister: Einer-
seits erscheint der persönliche Einsatz im gerichtlichen Zweikampf als standesgemäße
Form der Beweiserhebung für Angehörige des Wehrstandes/*' andererseits wird gerade
den Nobleren unter den uoMes häufig das Recht auf Stellvertretung verbrieft, wie es
auch das Beispiel des Kaspar Schlick, Kanzler Kaiser Sigismunds, illustriert: Am 8. Au-
gust 1442 bestätigt Friedrich III. zwei Urkunden Sigismunds zugunsten des Kaspar
Schlick. 1422 ist Schlick zum Baronat erhoben worden; 1437 folgte der Aufstieg in den
Grafenstand. Auf eine umfassende Aufzählung der Verdienste Schlicks, die diesen so-
zialen Aufstieg rechtfertigen, folgt nun keineswegs die Feststellung, dass er seinen
frisch erworbenen Titel in Turnieren und dMdlo schlagend unter Beweis stellen dürfe/""
sondern die Bestimmung, weder Kaspar Schlick selbst noch seine Erben dürften zum
herangezogen werden.""" Mag die generelle Zweikampfbefreiung wichtiger
Funktionsträger letztlich auch der Absicherung der Herrschaftsordnung gegolten ha-
ben, wird am Beispiel Schlicks doch deutlich, dass ihn die Freistellung vom aus
der Masse des Adels heraushebt und ihn als Mann der Führungselite kenntlich macht.
Gerade den Angehörigen dieser Führungselite musste daran gelegen sein, das Ri-
siko des Kampfes zu umgehen und sich bzw. die eigene Position auf diese Weise gegen
Missbräuche zu schützen. Denn das bereits angesprochene Argument, das in den skan-
dinavischen Reichen die Abschaffung des Zweikampfes mit begründet - geübte Kämp-
fer betrieben mittels unbegründeter Zweikampfforderungen eine recht erfolgreiche
Bereicherungsstrategie -, könnte auch hier in leicht abgewandelter Form eine Rolle
spielen. Gerade in nicht klar voneinander abgegrenzten Herrschaftsbereichen wird im-
mer wieder um die Gerichtskompetenz gestritten, und offenkundig bietet gerade der
gerichtliche Zweikampf ein geeignetes Feld, diese Konkurrenz auch offen auszutragen:
1354 führt der Herzog von Brabant Beschwerde über Bischof Engelbert von Füttich vor
Karl IV.; Engelbert habe die Gerichtskompetenz des Herzogs ignoriert und eigenmäch-
tig Feute des Herzogs zum Zweikampf vor sein Gericht gezogen. Der Bischof von Füt-
tich verhandelt also nicht über das, was er darf oder nicht darf; er handelt und erprobt
die Grenzen seines Rechts- und damit auch seines Herrschaftsbereichs. Dass dabei ge-
rade das zum Stein des Anstoßes wird, mag ein Zufall sein; doch gibt es wohl
kaum ein Rechtsmittel, das die Herrschaftsordnung deutlicher abbildet: Dem
präsidiert der Herr! Der Bischof versucht in diesem Fall, diesen Status für sich zu bean-
spruchen. Grenzen werden ihm dabei von ganz oben gesetzt: Karl IV. entscheidet zu-
220 Vgl. HYAMs: Trial by Ordeal, S. 113.
221 Vgl. Kap. V.l.l.
222 Vgl. dagegen die Erhebungen Gottfrieds von Bernichusen und Peters von Inden zu Hofpfalz-
grafen in den Jahren 1483 und 1486, in denen Friedrich III. ausdrücklich darauf hinweist, dass
die Herren ihr Wappen in Turnieren und Zweikämpfen tragen dürfen; RI* XIII.7, Nr. 660
(Bernichusen, 1483 XII31) und RT XIII.7, Nr. 709 (Inden, 1486 VII24).
223 RT XHI/Chmel, Nr. 946.
II. Wo? - Gerichtshoheiten und Schauplätze
richtsherr hätte sich einer Reihe von Verpflichtungen zur Absicherung eines kompli-
zierten Verfahrens ledig wissen können. Die Einbußen für den Gerichtsherrn müssen
also in einem anderen Bereich, auf einer weniger materiellen Ebene gelegen haben: Es
scheint, das Duellrecht spielt eine entscheidende Rolle in der Entwicklung des seigneu-
rialen Selbstverständnisses; die Standesehre diktiert das Festhalten am gerichtlichen
Zweikampf.**"
An der Frage nach der Teilnahme am Duell scheiden sich jedoch die Geister: Einer-
seits erscheint der persönliche Einsatz im gerichtlichen Zweikampf als standesgemäße
Form der Beweiserhebung für Angehörige des Wehrstandes/*' andererseits wird gerade
den Nobleren unter den uoMes häufig das Recht auf Stellvertretung verbrieft, wie es
auch das Beispiel des Kaspar Schlick, Kanzler Kaiser Sigismunds, illustriert: Am 8. Au-
gust 1442 bestätigt Friedrich III. zwei Urkunden Sigismunds zugunsten des Kaspar
Schlick. 1422 ist Schlick zum Baronat erhoben worden; 1437 folgte der Aufstieg in den
Grafenstand. Auf eine umfassende Aufzählung der Verdienste Schlicks, die diesen so-
zialen Aufstieg rechtfertigen, folgt nun keineswegs die Feststellung, dass er seinen
frisch erworbenen Titel in Turnieren und dMdlo schlagend unter Beweis stellen dürfe/""
sondern die Bestimmung, weder Kaspar Schlick selbst noch seine Erben dürften zum
herangezogen werden.""" Mag die generelle Zweikampfbefreiung wichtiger
Funktionsträger letztlich auch der Absicherung der Herrschaftsordnung gegolten ha-
ben, wird am Beispiel Schlicks doch deutlich, dass ihn die Freistellung vom aus
der Masse des Adels heraushebt und ihn als Mann der Führungselite kenntlich macht.
Gerade den Angehörigen dieser Führungselite musste daran gelegen sein, das Ri-
siko des Kampfes zu umgehen und sich bzw. die eigene Position auf diese Weise gegen
Missbräuche zu schützen. Denn das bereits angesprochene Argument, das in den skan-
dinavischen Reichen die Abschaffung des Zweikampfes mit begründet - geübte Kämp-
fer betrieben mittels unbegründeter Zweikampfforderungen eine recht erfolgreiche
Bereicherungsstrategie -, könnte auch hier in leicht abgewandelter Form eine Rolle
spielen. Gerade in nicht klar voneinander abgegrenzten Herrschaftsbereichen wird im-
mer wieder um die Gerichtskompetenz gestritten, und offenkundig bietet gerade der
gerichtliche Zweikampf ein geeignetes Feld, diese Konkurrenz auch offen auszutragen:
1354 führt der Herzog von Brabant Beschwerde über Bischof Engelbert von Füttich vor
Karl IV.; Engelbert habe die Gerichtskompetenz des Herzogs ignoriert und eigenmäch-
tig Feute des Herzogs zum Zweikampf vor sein Gericht gezogen. Der Bischof von Füt-
tich verhandelt also nicht über das, was er darf oder nicht darf; er handelt und erprobt
die Grenzen seines Rechts- und damit auch seines Herrschaftsbereichs. Dass dabei ge-
rade das zum Stein des Anstoßes wird, mag ein Zufall sein; doch gibt es wohl
kaum ein Rechtsmittel, das die Herrschaftsordnung deutlicher abbildet: Dem
präsidiert der Herr! Der Bischof versucht in diesem Fall, diesen Status für sich zu bean-
spruchen. Grenzen werden ihm dabei von ganz oben gesetzt: Karl IV. entscheidet zu-
220 Vgl. HYAMs: Trial by Ordeal, S. 113.
221 Vgl. Kap. V.l.l.
222 Vgl. dagegen die Erhebungen Gottfrieds von Bernichusen und Peters von Inden zu Hofpfalz-
grafen in den Jahren 1483 und 1486, in denen Friedrich III. ausdrücklich darauf hinweist, dass
die Herren ihr Wappen in Turnieren und Zweikämpfen tragen dürfen; RI* XIII.7, Nr. 660
(Bernichusen, 1483 XII31) und RT XIII.7, Nr. 709 (Inden, 1486 VII24).
223 RT XHI/Chmel, Nr. 946.