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Neumann, Sarah; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Der gerichtliche Zweikampf: Gottesurteil, Wettstreit, Ehrensache — Mittelalter-Forschungen, Band 31: Ostfildern, 2010

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.34909#0023

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I. Einleitung

nach in den Epen ausgeschlossen«^ und ebenso verbieten sich unspektakuläre Kon-
fliktlösungen. Ein wahrer Held einigt sich nicht gütlich mit seinem Kontrahenten, er
macht keine Zugeständnisse, sondern stellt sich seinem Gegner im Zweikampf.
Entsprechend seiner Popularität als erzählerisches Motiv, stellen auch zahlreiche litera-
turwissenschaftliche Arbeiten den Zweikampf in den Mittelpunkt ihres Forschungs-
interesses/" verfolgen dabei jedoch unterschiedliche Zielsetzungen: Ein großer Teil der
(älteren) Arbeiten vertritt einen typologischen Ansatz, dem vor allem daran gelegen ist,
die einzelnen Varianten der Auseinandersetzung Mann gegen Mann voneinander zu
unterscheiden und Spezifika ihrer literarischen Darstellung herauszuarbeiten A Liegt
hier der Schwerpunkt klar auf der literaturwissenschaftlichen Analyse, nutzen insbe-
sondere Spezialforschungen zum gerichtlichen Zweikampf die literarischen Zeugnisse
als Rechtserkenntnisquellen. Sie spannen so einen Bogen zwischen den vermeintlich
>harten Fakten< und >literarischen Fiktionen^ obgleich damit in der älteren Forschung
oftmals eine unkritische Sicht auf Dichtung als eine Art >Bilderbuch der Rechts-
geschichte< verbunden ist, das bedenkenlos als Illustration vergangener Rechtszustän-
de herangezogen werden kannA Das Dilemma, entweder unreflektiert Dichter als Zeit-
zeugen zu befragen oder aber eine allzu scharfe Trennung von Recht und Literatur zu
propagieren, ist durch neuere programmatische Überlegungen zu den Austauschbezie-
hungen beider Bereiche und die Öffnung der mediävistischen Teildisziplinen zu einer
interdisziplinär arbeitenden mediävistischen Kulturwissenschaft zum Teil gelöst wor-
den, indem die Frage nach dem >realen Kern< der Dichtung und nach ihrem >Nutzen<
für die Geschichtswissenschaft auf die hinteren Ränge verwiesen wurde. Bezogen auf
die dichterische Darstellung des gerichtlichen Zweikampfes, die zahlreiche Spezialun-
tersuchungen zum Gegenstand haben," bedeutet diese Neuorientierung konkret: Es
kann nicht darum gehen, ob ein gerichtlicher Zweikampf - überspitzt formuliert -
wirklich ä la Hartmann ausgetragen wurde, sondern es ist notwendig, aus der Darstel-
lung des Rückschlüsse auf Rechtsverständnis und Gesellschaft der Zeit zu zie-
hen.^ Denn die sprichwörtliche dichterische Freiheit bewegt sich gestern wie heute in
engen Grenzen, seien es sprachliche oder inhaltliche Traditionen, die gewahrt oder
auch durchbrochen werden; seien es Auftraggeber bzw. Adressaten, bei denen das
Werk Gehör und der Verfasser Förderung finden soll. Auch Originalität ist zeitgebun-
den - Gehör und Förderung findet eben nur derjenige, der stimmige Geschichten zu
erzählen und altbekannte Motive zeitgemäß zu arrangieren weiß. Wie verleihen die

50 PFEFFER: Formalitäten, S. 19.
51 Vgl. die Überblicksdarstellungen zum Thema >Zweikampf< in der Epik des Mittelalters von
UDWiN: Between Two Armies; HARMS: Kampf mit dem Freund oder Verwandten.
52 Vgl. dazu die älteren Arbeiten von ZÜCHNER: Kampf Schilderungen; BoDE: Kamphesschilde-
rungen; KiRCHMEiR: Darstellung des Zweikampfs.
53 Vgl. ScHULTz: Höfisches Leben 2, S. 133-148; BATST: Gerichtlicher Zweikampf; GRIMM: Rechts-
alterthümer 2, S. 588-593; PFEFFER: Formalitäten und besonders die Sammlung literarischer
und ikonographischer Belege bei FEHR: Recht im Bilde und DERS.: Recht in der Dichtung. -
Auch der Rechtshistoriker Fehr erliegt dem Irrtum, dass die Dichter »Recht und Rechtsvor-
stellungen wieder [geben], wie sie die Wirklichkeit ihnen darbietet. So stark sie sich im Reiche
der Phantasie bewegen: im Augenblick wo sie den Kreis des Rechts betreten, wagen sie sich
nicht über die Realität der Dinge hinaus.« (FEHR: Recht in der Dichtung, S. 7).
54 Statt einer Aufzählung diverser Spezialuntersuchungen, die an geeigneter Stelle genannt wer-
den, sei hier stellvertretend hingewiesen auf ZiEGLER: Trial by Fire and Battle.
55 Vgl. BALDWiN: Crisis of the Ordeal; SCHNELL: Dichtung und Rechtsgeschichte.
 
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