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I. Einleitung
zwei ausgewählte Männer der gegnerischen Heere aufeinandertreffen und interpre-
tierten den Verlauf dieser Auseinandersetzung als Vorzeichen für den Ausgang des
anstehenden Gefechtes.*" Anders verhalte es sich mit dem organisierten Zweikampf, bei
dem das Kräftemessen zweier Kämpen die Schlacht der feindlichen Heere ersetzt, um
so ohne größeres Blutvergießen zu einer Entscheidung zu gelangen. Der Zweikampf
erscheint hier also als Grundform kriegerischer Auseinandersetzung und ist Teil der
militärischen Taktik/" Diesem planvollen Vorgehen steht die Gruppe der wilden Zwei-
kämpfe< gegenüber, die laut Definition außerhalb eines Gerichtsverfahrens oder - et-
was allgemeiner formuliert - außerhalb eines offiziellen Rahmens stattfinden und in
der Regel Ehrenhändel klären sollen. Der Demonstration (ritterlicher) Ehrenhaftigkeit
dienen dagegen Turniere, die nur eine unter vielen Zweikampfformen der vierten
Gruppe sind, in der spielerische Varianten des Grundmotivs >Zweikampf< zusammen-
gefasst werden. In einer fünften und letzten Klasse befindet sich dann der gerichtliche
Zweikampf, der nahezu ausschließlich über seine Rechtmäßigkeit definiert wird. Diese
gängigen Klassifikationsversuche leiten also die Fülle von Zweikampfformen in geord-
nete Bahnen, geben klare Unterscheidungskriterien vor und fixieren auch, wonach der-
jenige, der sich mit dem gerichtlichen Zweikampf beschäftigen will, Ausschau halten
sollte: Demnach ist das ein Zeichen, kein Vorzeichen; legal und nicht illegal;
eine ernsthafte und keineswegs spielerische Angelegenheit und vor allem keine Ehren-
sache.
Genau an diesen klaren Vorgaben muss eine tiefergehende Analyse des
scheitern; denn: Selbst wenn es gelänge, dieses Kriterienbündel an den mitunter wort-
kargen Quellen abzuarbeiten, sind die notwendigen definitorischen Bemühungen
selbst Teil des Problems, weil sie Eindeutigkeit zum Prinzip erheben, Mehrdeutigkeit
entsprechend ausschließen müssen und vermeintliche Gegensätze in Frontstellungen
zwingen, um Unterschiede betonen zu können - indes: So schematisch und eindeutig
ist die Sache nicht. Beispielsweise gilt der Zweikampf als Schlachtenersatz formal als
eine außergerichtliche Auseinandersetzung, doch lassen sich gerade hier klare Paralle-
len zum Gerichtszweikampf aufzeigen. Denn wie dieser ist auch der verabredete Zwei-
kampf, das enmTc/' als Ersatz für die Schlacht, das uolcwzc, eine vertragsmäßige Über-
einkunft der Streitparteien - hier vertreten durch die Oberbefehlshaber^ - und folgt
den entsprechenden Regeln, die ebenso für den Ablauf des gerichtlichen Zweikampfes
gelten/" Aufschluss über diese Bewertung gewährt vor allem die mittelalterliche
69 TACiTUS: De origine X.5: f.. J esf et aüa o^seroaüo aMspiciorMm, <?ua graUum Mforum eocMfus expfo-
ra?ü. eiMS geMÜs cum <?ua MUm est capfmum, <jMO<juo moZo iMfercepfum, cum efecfo popufanum suo-
rum, pafrüs armis, commüfMHf; Hcfon'a Zulus uef ZZ'us pro praeiMiü'cio accipüur. - Vgl. dazu
auch DAHN: Studien, S. 4.
70 Interessant erscheint in diesem Zusammenhang auch die etymologische Herleitung desmlat.
ZueZum für >Krieg, Zweikampf< aus der Kombination von lat. Zoo und ZeZum; vgl. KLUGE: Ety-
mologisches Wörterbuch, S. 198.
71 Auch weitere Quellenbezeichnungen für den gerichtlichen Zweikampf wie z. B. iuZicium pug-
uae, campus, ZueZum, pugua Zuorum, mouomacZia, cerfameu singulare, ZafaEum, weZaZiug, campZing
u. a. nehmen deutliche Anleihen beim zeitgenössischen militärischen Vokabular und stellen
so einen engen Bezug zum Kriegswesen her; vgl. LEITMAIER: Kirche und Gottesurteile, S. 25.
72 Vgl. RosENAu: Wehrverfassung und Kriegsrecht, S. 199-227.
73 Wie beim Gerichtszweikampf üblich wird auch bei dem als Schlachtenersatz durchgeführten
Zweikampf ein Handschuh als Prozessualpfand übergeben und es werden Geiseln gestellt;
vgl. zum für den Gerichtszweikampf vorgeschriebenen Procedere Kap. III.
I. Einleitung
zwei ausgewählte Männer der gegnerischen Heere aufeinandertreffen und interpre-
tierten den Verlauf dieser Auseinandersetzung als Vorzeichen für den Ausgang des
anstehenden Gefechtes.*" Anders verhalte es sich mit dem organisierten Zweikampf, bei
dem das Kräftemessen zweier Kämpen die Schlacht der feindlichen Heere ersetzt, um
so ohne größeres Blutvergießen zu einer Entscheidung zu gelangen. Der Zweikampf
erscheint hier also als Grundform kriegerischer Auseinandersetzung und ist Teil der
militärischen Taktik/" Diesem planvollen Vorgehen steht die Gruppe der wilden Zwei-
kämpfe< gegenüber, die laut Definition außerhalb eines Gerichtsverfahrens oder - et-
was allgemeiner formuliert - außerhalb eines offiziellen Rahmens stattfinden und in
der Regel Ehrenhändel klären sollen. Der Demonstration (ritterlicher) Ehrenhaftigkeit
dienen dagegen Turniere, die nur eine unter vielen Zweikampfformen der vierten
Gruppe sind, in der spielerische Varianten des Grundmotivs >Zweikampf< zusammen-
gefasst werden. In einer fünften und letzten Klasse befindet sich dann der gerichtliche
Zweikampf, der nahezu ausschließlich über seine Rechtmäßigkeit definiert wird. Diese
gängigen Klassifikationsversuche leiten also die Fülle von Zweikampfformen in geord-
nete Bahnen, geben klare Unterscheidungskriterien vor und fixieren auch, wonach der-
jenige, der sich mit dem gerichtlichen Zweikampf beschäftigen will, Ausschau halten
sollte: Demnach ist das ein Zeichen, kein Vorzeichen; legal und nicht illegal;
eine ernsthafte und keineswegs spielerische Angelegenheit und vor allem keine Ehren-
sache.
Genau an diesen klaren Vorgaben muss eine tiefergehende Analyse des
scheitern; denn: Selbst wenn es gelänge, dieses Kriterienbündel an den mitunter wort-
kargen Quellen abzuarbeiten, sind die notwendigen definitorischen Bemühungen
selbst Teil des Problems, weil sie Eindeutigkeit zum Prinzip erheben, Mehrdeutigkeit
entsprechend ausschließen müssen und vermeintliche Gegensätze in Frontstellungen
zwingen, um Unterschiede betonen zu können - indes: So schematisch und eindeutig
ist die Sache nicht. Beispielsweise gilt der Zweikampf als Schlachtenersatz formal als
eine außergerichtliche Auseinandersetzung, doch lassen sich gerade hier klare Paralle-
len zum Gerichtszweikampf aufzeigen. Denn wie dieser ist auch der verabredete Zwei-
kampf, das enmTc/' als Ersatz für die Schlacht, das uolcwzc, eine vertragsmäßige Über-
einkunft der Streitparteien - hier vertreten durch die Oberbefehlshaber^ - und folgt
den entsprechenden Regeln, die ebenso für den Ablauf des gerichtlichen Zweikampfes
gelten/" Aufschluss über diese Bewertung gewährt vor allem die mittelalterliche
69 TACiTUS: De origine X.5: f.. J esf et aüa o^seroaüo aMspiciorMm, <?ua graUum Mforum eocMfus expfo-
ra?ü. eiMS geMÜs cum <?ua MUm est capfmum, <jMO<juo moZo iMfercepfum, cum efecfo popufanum suo-
rum, pafrüs armis, commüfMHf; Hcfon'a Zulus uef ZZ'us pro praeiMiü'cio accipüur. - Vgl. dazu
auch DAHN: Studien, S. 4.
70 Interessant erscheint in diesem Zusammenhang auch die etymologische Herleitung desmlat.
ZueZum für >Krieg, Zweikampf< aus der Kombination von lat. Zoo und ZeZum; vgl. KLUGE: Ety-
mologisches Wörterbuch, S. 198.
71 Auch weitere Quellenbezeichnungen für den gerichtlichen Zweikampf wie z. B. iuZicium pug-
uae, campus, ZueZum, pugua Zuorum, mouomacZia, cerfameu singulare, ZafaEum, weZaZiug, campZing
u. a. nehmen deutliche Anleihen beim zeitgenössischen militärischen Vokabular und stellen
so einen engen Bezug zum Kriegswesen her; vgl. LEITMAIER: Kirche und Gottesurteile, S. 25.
72 Vgl. RosENAu: Wehrverfassung und Kriegsrecht, S. 199-227.
73 Wie beim Gerichtszweikampf üblich wird auch bei dem als Schlachtenersatz durchgeführten
Zweikampf ein Handschuh als Prozessualpfand übergeben und es werden Geiseln gestellt;
vgl. zum für den Gerichtszweikampf vorgeschriebenen Procedere Kap. III.